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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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versetzen.« Und da Lea, nur halb überzeugt, doch gewillt, sich überzeugen zu lassen, schräg zu ihm aufsah, fuhr er fort: »Nein, wirklich, schlafen Sie ruhig, Lea. Ich versichere Ihnen, ich habe niemals auch nur mit dem leisesten Gedanken daran gedacht, Ihren Trautwein zu verhindern, seine moralische Entrüstung in musikalischen Aufsätzen von sich zu geben.Wahrscheinlich ist das sein einziges Vergnügen. Soll also der Arme sein Lämmlein ruhig weiter hüten. Paß auf, meine Lea«, er rückte noch näher, wurde noch vertraulicher, »wenn erst der ›Beaumarchais‹ fertig sein wird, dann wirst selbst du mir konzedieren, daß dein Trautwein nicht die rechte Konkurrenz für mich ist.« Er wurde zusehends mehr aufgeräumt, wurde wieder ganz zu dem netten, großen Jungen, der Lea seit zwanzig Jahren so oft entzückt hatte.
    Was ihn aber so sicher und vergnügt machte, war weniger der Gedanke an den »Beaumarchais« als der an die Historia Arcana. Die Historia Arcana, das war die innere Geschichte der Epoche. Aus diesem Werk werden die Späteren nicht nur die Hintergründe vieler Geschehnisse ermitteln können, in welche einzublicken sie sonst niemals vermöchten, sie werden auch mittels dieses Werkes in das Innere eines Menschen schauen können, der, ein Wissender, Fühlender, die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts miterlebt hat. Er, Erich Wiesener, war, und später werden alle das erkennen, der wahre Geschichtsschreiber der Epoche.
    Voraussetzung dafür blieb, daß er diese Geheimgeschichte wirklich als Geheimgeschichte führte. Und daß er die Überwindung aufbrachte, dieses sein wichtigstes Werk selbst vor Lea und vor Maria zu verschweigen, das machte ihn jetzt so heiter selbstbewußt. »Du hast dir«, sagte er, »zu deinem Freund einen ziemlich gefährlichen Burschen ausgesucht, Liebling, aber doch nicht den schlechtesten.«
    Und da sie erwidern wollte, küßte und streichelte er sie, bis sie schwieg.
14
Ein deutscher Junge in Paris
    Am Abend dieses 3. April, als Lea vor dem dreigeteilten Spiegel saß, im Begriff, sich mit Hilfe ihrer Zofe für ein Diner beim holländischen Gesandten zurechtzumachen, hörte sie ein kurzesAnklopfen und sah, im Spiegel, einen befrackten Herrn hereinkommen. Den Bruchteil einer Sekunde erschrak sie. Dann erkannte sie Raoul. »Ich wollte dir guten Abend sagen, Mama«, erklärte er möglichst leicht. »Ich gehe in die Oper. Vorher hab ich ein Rendezvous in der Bar des Crillon.«
    »Ich nehme doch die grünen Handschuhe, Odette«, sagte Lea zur Zofe. Es war eine Frechheit, daß der Junge sich hinter ihrem Rücken den Frack hatte machen lassen. Ganz auf eigene Faust hatte er es wohl nicht getan; wahrscheinlich stak Erich dahinter. Wäre Odette nicht da, dann würde sie Raoul ausschimpfen. Übrigens muß sie zugeben, daß sich Raoul bei seiner Länge im Frack schon ganz gut ausnimmt. Wenn sie sich so heftig dagegen gesträubt hat, dann wahrscheinlich nur deshalb, weil sie die Vorstellung eines so erwachsenen Sohnes verdroß. Ist sie eine alte Frau? Das Gesicht, das ihr der Spiegel jetzt zurückgibt, ist nicht alt. Aber der junge Herr da im Frack, ihr Sohn Raoul, zeigt, daß sie es eben doch ist. Neununddreißig und schon alt.
    Es ist unverschämt von Erich, daß er mit dem Jungen gegen sie intrigiert. Er rächt sich dafür, daß sie sich besser benimmt als er. Im Grund ist er kleinlich. Er liebt sie, jeder Liebe ist Haß beigemengt, aber sein Haß ist kleinlich. Doch an Raoul darf sie ihren Ärger nicht auslassen. Sie sucht im Spiegel seinen Blick. Er sieht spitzbübisch aus, er weiß genau, daß sie ihm gerne den Kopf wüsche, es aber doch nicht tun wird. Erich, wenn er ähnliches angestellt hat, macht das gleiche Gesicht.
    »Ein bißchen mehr solltest du auflegen, Liebling«, beriet sie Raoul mit seiner tiefen, schmeichlerischen Stimme. »Du machst es zu diskret. Aber bezaubernd siehst du aus. Es ist Pech, daß wir so nah verwandt sind. Ich würde mich maßlos in dich verlieben.« – »Danke, mein Junge«, erwiderte Lea. »Ich werde doch nicht mehr auflegen. Madame Jacqueline« – das war ihre Hautpflegerin – »wäre sicherlich nicht damit einverstanden. Erzähle. Was hast du nachmittags angefangen? Bist du schwimmen gegangen?« – »Ja, aber es war eineEnttäuschung«, berichtete Raoul. »Federsen war nicht da, und ohne Klaus Federsen ist nichts los. Es wäre gescheiter gewesen, ich hätte mit dir zu Mittag gegessen und einmal wieder Monsieur Wiesener besichtigt. ›Von

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