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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verdroß es sie doppelt, daß der Junge dem Vater nachzuschlagen schien, daß er genau wie der glaubte, mit ein bißchen leichtfertiger Liebenswürdigkeit alles wiedergutmachen zu können, was er angerichtet hatte. Ja, der Junge hatte die breite, harte Stirn des Vaters und seine dreisten, begehrlichen, grauen Augen. Er war eigensüchtig und verantwortungslos wie Erich. Sie lächelte also Raoul nicht durch den Spiegel zurück, sondern schaute nachdenklich, ja verdrießlich vor sich hin.
    Raoul mißverstand ihr Schweigen; er glaubte, sie bedenke ernstlich seine Worte. »Ich schließe oft Wetten mit mir selber«, verstärkte er, was er gesagt hatte, »wie lange wir es wohl noch mit diesem Manne aushalten.« Seine tiefe, schöne Stimme war zärtlich und spöttisch.
    Doch jetzt war Lea ernstlich verstimmt. »Dieser Mann hat dir immerhin einen Frack bauen lassen«, meinte sie, leichthin, »und einen sehr ordentlichen, wie es scheint. Daß du dich erst mit ihm hinter meinem Rücken zusammentust, mein Junge, mag hingehen. Aber daß du dann gegen ihn hetzt, das finde ich eigentlich deines Frackes nicht würdig.« Raoul, betroffen, überlegte einen Moment, aber ihm fiel keine schlagende Antwort ein. »Mein Gott, Mama«, tat der ihren Tadel ab, etwas flau, wie er sich selber zugab, »da spielen Männersachen mit. Aber ich wollte dir nur guten Abend sagen, ich muß ins Crillon.« Er ging hin zu ihr und neigte höflich, kindlich den Kopf, daß sie ihn auf die Stirn küsse.Als er zwei Tage später in seinen Schwimmklub ging, war Klaus Federsen, der Champion, wieder da. Alle freuten sich, er hatte mehrere Male hintereinander gefehlt. Klaus Federsen war breit, untersetzt, und sein stichelhaariger, fahlblonder Kopf mit den kleinen Augen wirkte etwas plump; aber ihn schwimmen, springen, tauchen zu sehen, war eine Freude. Er war wohlgelitten; er war gutmütig und hilfsbereit und erklärte den andern geduldiger als der Schwimmlehrer seine Tricks.
    So schwerfällig Klaus war, seine gestaute Kraft hatte Raoul vom ersten Augenblick an angezogen. Klaus, geschmeichelt, daß der stolze, elegante Raoul, der von seinen Kameraden nur wenige an sich heranließ, sich aus ihm was machte, hatte ihn eingeladen, und bei diesem Besuch hatte Raoul auch den alten Federsen zu sehen bekommen, den Chef der Mitropa-Bank. Das war ein Mann mit viereckigem Schädel, jovial und höflich, mit kleinen, schlauen Augen. Trotz seiner Gepflegtheit war auch um ihn jene Atmosphäre derber, dumpfer Stärke, die Raoul schon am Sohn angezogen hatte. Raoul hatte längst vorgehabt, Klaus Federsen zu einem Gegenbesuch einzuladen. Jetzt tat er es. Die Idee seines Jugendtreffens beschäftigte ihn; es konnte nicht schaden, diesen Federsen dafür zu interessieren.
    Der, als er Raoul in seiner Umgebung, in seinem »Rahmen«, sah, verhehlte nicht seine Bewunderung. Vielwortig äußerte er Enthusiasmus über Raouls hübsches Gehäuse, über die Einrichtung, die Bücher, die kleine Bar, den Diener. »Wir Deutsche sind nicht arm«, erklärte er naiv und wichtig, »wenn wir uns auch aus vielen Gründen so stellen; ich spreche da als Eingeweihter. Aber so dick könnte ich mir’s nicht leisten. Auf das deine«, sagte er, »tschin, tschin«, der schon altmodische, schicke Trinkgruß kam ihm seltsam ungeschlacht über die Zunge, er kippte sein viertes Gläschen Armagnac.
    Die unversteckte Bewunderung des andern tat Raoul wohl. Ja, aus so viel barbarischer Kraft mußte man Profit ziehen können, und er erzählte ihm von seiner großen Idee, von demTreffen seiner »Jeanne d’Arc« mit einem deutschen Jugendverband.
    Klaus Federsen war sogleich Feuer und Flamme. Er werde mit seinem Vater reden, versprach er; er sei sicher, daß die Deutschen das Projekt begierig aufgreifen würden. So eifrig kniete er sich in die Sache hinein, daß Raoul vor so viel Beflissenheit Angst bekam. Ihm ging es ja nicht um das Treffen, sondern darum, daß man ihn zum Führer der französischen Delegation bestimmte. Wenn aber dieser Knabe Federsen die Sache so wild betrieb, dann wurde sie reif, bevor er Zeit hatte, seine Kandidatur zu sichern; er wußte, daß er Gegner hatte, daß viele ihn wegen seines Hochmuts nicht leiden konnten.
    Er lenkte also den Eifer des andern in die rechte Bahn. Sinn, meinte er, habe ein solches Treffen nur, wenn auf beiden Seiten zuverlässige, aufeinander eingespielte Leute stünden. »Ja, natürlich«, entgegnete Klaus, »an der Spitze müssen Jungens sein wie du und ich.« – »Es

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