Exil
vielleicht nur eine Kulisse ist?«, fängt Alison an.
»Was soll eine Kulisse sein?«, will Mick wissen.
»Na, das alles um uns herum«, sagt Alison mit einer Armbewegung, die Himmel und Erde, das Meer, das Hotel und uns umfasst. »Die Welt und die Menschen und alles, was passiert, ist so absurd, dass es gar nicht wirklich sein kann. Ich weiß, dass ich wirklich bin. Ich bin hier, und ich versuche … mich durchs Leben zu manövrieren. Aber ständig wollen Leute mich beeinflussen und mir erzählen, was ich machen soll. Sie urteilen über mich. Und über die Dinge, die ich gerne will: Sie erzählen mir, dass es falsch ist. Und über die Dinge, die ich nicht will: das soll ich machen oder jenes. In die Schule gehen, hart arbeiten, anständig sein … alles Mögliche.«
Alison setzt einen fragenden Gesichtsausdruck auf. Ich blicke hinüber zu Frans. Er lächelt sie glücklich an, aber unter der Oberfläche spüre ich Nervosität; so hat sie sich bei den Cocktailpartys in Daressalaam natürlich nie aufgeführt. Mick räuspert sich.
»Die Leute versuchen ständig, sich gegenseitig zu manipulieren, klar. Aber davon wird die Welt nicht zu einer Kulisse.«
Alison versucht, mich zu fixieren: »Nein, aber …« Sie zeigt mit beiden Händen auf sich. »Ich bin ein biologisches Experiment, eine Laborratte. Ich bin der einzige Mensch, der existiert. Wesen haben mich gefunden und ausgedacht …« Alison wechselt in eine belehrende Stimmlage: »Dies ist eine seltene Spezies. Die Einzige ihrer Art, die wir wieder zum Leben erwecken konnten. Und nun werden wir beobachten, wie sie so ist, daher bauen wir ihr diese Umgebung und setzen sie hinein. Und um zu sehen, wie diese Rasse funktioniert, erfinden wir die merkwürdigsten Dinge und knallen sie ihr direkt vor die Fresse. Dieses Gefühl hab ich einfach.«
»Wir sind hinter dir her?«, sagt Mick.
»Ihr seid doch nur Roboter. Aber die Wesen sollten das Experiment ein bisschen lockerer angehen. Es ist zu heftig. Eltern, Schule, ein unsägliches Hotel, eine verrückte kleine Schwester und … Männer. Alles ist merkwürdig.«
»Ist es denn so schwer mit den Männern?«, will Frans wissen. Alison sieht ihn überrascht an, beugt sich vor und legte eine Hand auf seinen Schenkel.
»Nein, nicht mit dir, Schatz. Ich glaube, sie haben sich entschlossen – also, diese Wesen –, dass es mir jetzt gut gehen soll.« Sie schenkt ihm ein Lächeln. Aber genau das meint sie bei Männern. Säuglinge, eine Sekunde lang Angeber, und in der nächsten unsicher und schwach.
»Das ist ganz einfach«, mischt Mick sich ein. »Du machst einfach, was du willst, und dann können die Wesen sich überlegen, was sie davon halten.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, meint Alison. »Ich werd’s mal ausprobieren. Moral ist ja nur ein Teil ihrer Testanordnung. Was ist mir dir, Samantha?«
»Für mich ist die Wirklichkeit wirklich real«, gebe ich zur Antwort. »Aber ich bin nicht sicher, ob das etwas zu bedeuten hat.«
»Aber es bedeutet doch etwas für dich, ob du glücklich bist, oder … in der Schule zum Beispiel.«
»Ja, das lässt sich nicht steuern.«
»Was?«, fragt Mick dazwischen.
»Na ja … Gefühle, oder?«
»Nein, aber ich hab’s gern, wenn richtig was läuft«, erklärt Mick. »Und dann Sex. Am meisten beunruhigt mich, dass es dazwischen so lange Pausen gibt, in denen ich alles Mögliche andere tun muss, bevor ich wieder zum Wesentlichen zurückkommen kann: dass es richtig abgeht. Und dann Sex.«
»Mick«, seufzt Alison.
»Du weißt, was ich meine.«
»Ja, aber das ist doch nicht alles.«
»Aber fast.«
»Tja, okay«, Alison greift nach Frans’ Hand. »Wir gehen.«
»Gute Nacht«, wünscht Frans und lässt uns allein, nach einem Gespräch über heftigen Sex. Ich schaue Mick an, der sich eine Zigarette anzündet.
»Wilder Sex«, sage ich.
»Du weißt, wo ich wohne«, erwidert er und leert seinen Drink mit einem Zug. Steht auf. »Und ich bin zu Hause.« Er geht auch. Ich bleibe noch einen Moment sitzen. Lösche die Sturmlaternen, trage sie hinein und schließe das Haus von außen ab. Dann gehe ich hinüber und klopfe an Micks Tür.
»Darf ich reinkommen?«
»Ja.«
Ich öffne die Tür.
»Es ist, weil … ich bin’s einfach leid, allein zu schlafen.«
»Komm schon rein«, sagt Mick.
Vaters Niveau
Zwei Tage später kommt Vater. Frans ist ausgesprochen nervös, die Vorstellung einer Begegnung mit Vater behagt ihm nicht. Wir stehen vor der Veranda.
»Hm, du willst mir
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