Existenz

streckte die Hand nach einer der nahen grünen Zellen aus, einer der »sicheren«, die dazu dienten, Leben und Eigentum zu schützen, eine Katastrophe zu verhindern.
    Jetzt ergab alles einen Sinn. Smarte Polymere waren programmierbar, bis hin zur Durchlässigkeit bestimmter Stellen dieser Gas enthaltenden Zellen. Es handelte sich um die gleiche Technik, die das Entsalzen von Meerwasser verbilligt und die Wasserkriege beendet hatte. Aber es war Technik, und sie konnte für viele verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Ein besonders gewiefter Saboteur hatte vielleicht eine getimte Anweisung dort hinterlassen, wo sich zwei Gaszellen berührten, mit dem Ziel, dass die eine Zelle Gas in die andere strömen ließ. Eine Verkettung: Helium entweicht nach draußen, Gas wird von Wasserstoffzellen in die benachbarten Heliumzellen geleitet, um den Druck aufrechtzuerhalten, sodass niemand etwas bemerkt. Dann löse man die automatischen Systeme aus, um an Bord mitgeführtes Wasser aufzuspalten und den Wasserstoff der Hauptzellen zu »ersetzen«. Man lasse die Reederei in dem Glauben, dass Gas aus einem kleinen Leck entweicht. Keine große Sache. Man kann den Flug ruhig fortsetzen.
    Bis das Helium in genug grünen Zellen durch Wasserstoff ersetzt ist, um den Zeppelin in eine fliegende Bombe zu verwandeln.
    »Der Vorgang müsste inzwischen fast abgeschlossen sein«, murmelte Tor und blickte nach vorn, zum großen Zepp-Hafen, wo Dutzende von großen Luftschiffen zu sehen waren, manche von ihnen größer als die Spirit ; Ankerkabel hielten sie, während sie wie träge im Wind schwankten. Spindeldürre Flugkräne flogen hin und her, holten Fracht von den Ozeanfrachtern an den nahen Potomac-Docks und trugen die Luftgel-Container mit eleganter Eile zu den wartenden Frachtzeppelinen, für die Reise über den Kontinent. Es war ein täuschend anmutiger, taumelnder Tanz, der die Motoren der Wirtschaft antrieb.
    Der Passagierterminal, winzig im Vergleich zu diesen Riesen, schien Sicher heit zu verheißen. Aber Indikatoren wiesen darauf hin, dass er noch zehn Minuten entfernt war.
    »Wir haben einen Protest herausgegeben, Tor«, sagte die Stimme in ihrem Ohr. »Auf allen Kanälen. An alle Agenturen.«
    Ein Blick auf die Anzeigen für den Smartmob teilte Tor mit, dass sich das Gruppen-Selbst große Mühe gab. Es rief Alarm, bei allen offiziellen Schutzdiensten, vom Verteidigungsministerium bis zur Homeworld Security. Individuelle Mitglieder wandten sich an Freunde und Bekannte, während die Mitgliederzahl des Smartmobs in den fünfstelligen Bereich stieg und weiter zunahm. Wenn es so weiterging, mussten die Profis ihnen Beachtung schenken. Jeden Augenblick.
    »Zu langsam«, sagte Tor, beobachtete die Zahlen und spürte, wie ihre Zuversicht schwand. Jede Sekunde mehr, die auf diese Weise ohne ein Eingrei fen der Protektorenkaste verstrich, brachte die Saboteure der Erkenntnis näher, dass ihr Plan aufgeflogen war . Und das würde sie veranlassen, schneller zu handeln.
    Der Gedanke an die Täter veranlasste Tor zu der Frage: »Was hoffen die Saboteure zu erreichen?«
    »Das haben wir uns ebenfalls gefragt, Tor. Nach dem Timing zu urteilen, wollen sie die Artefakt-Konferenz verhindern. Die Delegierten, die bereits das Naval Research Center erreicht haben, nehmen derzeit an einem Cocktail-Empfang am Ufer teil. Von dort aus hat man einen guten Blick zum Zepp-Hafen auf der anderen Seite des Flusses.
    Es ist natürlich möglich, dass die Reffer mit der Ermordung von dreihundert Passagieren mehr als nur eine Show planen. Wir versuchen gerade herauszufinden, ob an dem Umberto -Schlepper herumgepfuscht worden ist. Vielleicht besteht der Plan darin, dass er aus den Gleisen springt und vor der Explosion mit einem großen Fracht-Zeppelin kollidiert. Ein solcher Feuerball könnte das Capitol erschüttern und den Hafen für Monate lahmlegen.«
    Das war das Problem mit einem Smartmob. Jene Eigenschaften, die seine Intelligenz multiplizierten, konnten ihn auch gefühllos erscheinen lassen. Individuelle Mitglieder empfanden Sorge angesichts der Situation, in der sich Tor befand. Sie hätte auf ihre Mitteilungen zugreifen können, wenn ihr Zeit für Mitleid geblieben wäre.
    Doch pragmatische Hilfe war ihr lieber. Sie konzentrierte sich auf das Gruppen-Ich.
    »Ein (anonymes) Mitglied (ein Whistleblower?) vermutet einen bizarren Plan, der vorsieht, die Spirit of Chula Vista beim Zepp-Hafen mit einem fliegenden Kran zu packen und sie über den Fluss zu ziehen, damit