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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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sie beim Naval Research Center explodiert! Rein theoretisch könnte es möglich sein, dort alles in Schutt und Asche zu legen und …«
    »Das reicht!«, sagte Tor scharf. Fast eine Minute war verstrichen, seit ihr die Gefahr klar geworden war und der Smartmob den Protest in die Welt hinausgerufen hatte. Noch immer fehlten praktische Vorschläge.
    »Vergesst nicht, dass ich hier bin. Wir müssen etwas tun.«
    »Ja«, erwiderte die Stimme eifrig und ohne das übliche Zögern. »Es gibt genug hinreichenden Verdacht für eine polizeiliche Verfügung, insbesondere in Anbetracht deines Glaubwürdigkeitsrangs. Wir können handeln, mit dir als aktivem Part vor Ort.
    Als mögliche Maßnahmen werden vorgeschlagen:
    DAS SCHLEPPKABEL LÖSEN.
    (Notentriegelung in der Gondel. Erreichbar in vier Minuten.
    Risiko: mögliche Einmischungen der Besatzung. Ineffektiv für die Rettung von Zeppelin/Passagieren.)
    DIE CREW DAZU BRINGEN, DAS GAS ABZULASSEN.
    (Versuch einer Kommunikation trotz des Eingreifens der Reederei …)
    DIE REEDEREI DAZU BRINGEN, DIE EVAKUIERUNG DER PASSAGIERE ZU VERANLASSEN.
    (Kommunikation findet statt. Bisherige Reaktion: hartnäckige Weigerung …)
    HÖHERE PROTESTSTUFE. DIE PASSAGIERE KONTAKTIEREN. SIE ZUR EVAKUIERUNG DRÄNGEN.
    (Risiko: Verzögerung, Skepsis, Panik, Verletzungen, Tote, Klagen und Prozesse …)«
    Die Liste der Vorschläge scrollte durch Tors Blickfeld und nahm kein Ende. Geordnet von Algorithmen, die sie auf Plausibilität prüften, hervorgehoben entsprechend ihrer Dringlichkeit und bewertet nach der Wahrscheinlich keit eines Erfolgs. Einzelpersonen und Subgruppen innerhalb des Smartmobs machten mit hektischer Vehemenz unterschiedliche Vorschläge. Warnende Anzeigen leuchteten in Tors Brille; die Datenflut war zu groß.
    »Ach, zum Teufel damit!« Tor hob die Hand und nahm ihre Brille an.
    Die reale Welt empfing sie, ungefiltert. Trotz des Mangels an Overlays und eingeblendeten Zusatzinformationen wies sie ein besonderes Merkmal auf.
    Es ist der Ort, an dem ich sterben werde, dachte Tor.
    Es sei denn, ich unternehme etwas, und zwar schnell.
    In diesem Moment traf der angekündigte Flugassistent ein. Er trat um die letzte Ecke der hohen Gaszellen, nicht länger eine schattenhafte Gestalt, verzerrt von den gefärbten Polymermembranen: ein kleiner Mann in mittleren Jahren, und ganz offensichtlich erschreckt von dem, was ihm die eigene Brille zeigte. Die Absicht, Tor zu verhaften, war verflogen, noch bevor er jene letzte Ecke hinter sich gebracht hatte. Sie sah es so deutlich in seinem Gesicht, als stünde es dort mit großen Lettern geschrieben.
    WARREN stand auf seinem Namensschild.
    »W-wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte er mit einem heiseren Flüstern.
    Er verdankte seinen Job geringem Gewicht und Geschick im Umgang mit Menschen, aber offenbar steckte auch Mumm in ihm. Inzwischen wusste er, was sich hinter den meisten hellgrünen Membranen befand, die sie beide umgaben. Und man brauchte kein Genie zu sein, um zu begreifen, dass die Zepp-Reederei in der Zeit, die ihnen noch blieb, nicht helfen konnte.
    »Werkzeug!« Tor streckte die Hand aus.
    Warren hantierte an seiner Gürteltasche. Wertvolle Sekunden verstrichen, als er einen schmalen Werkzeugkasten hervorholte. Tor fand darin einen vielversprechenden Gegenstand: einen Vibroschneider.
    »Auf Ihre Biometrik programmiert?«
    Der kleine Mann nickte. Passagieren war es nicht erlaubt, etwas an Bord zu bringen, das als Waffe verwendet werden konnte. Dieser Schneider reagierte auf Warrens Berührung und sonst gar nichts. Er erforderte nicht nur Fingerabdrücke, sondern auch Bereitschaft, physiologische Anzeichen von freiem Willen.
    »Dann müssen Sie das Schneiden übernehmen.«
    »D-das Schneiden?«
    Tor erklärte rasch, was sie meinte.
    »Wir müssen Gas ablassen. Nach oben . Das passiert mit einer Hauptzelle, wenn sie leck wird, nicht wahr? Automatisch?«
    Ein zittriges Nicken. Tor vermutete, dass Warren Online-Rat empfing, wahrscheinlich von der Zepp-Reederei. Oder vielleicht von eben jenem Smartmob, den sie selbst mit ihrem Aufruf geschaffen hatte. Sie fühlte sich versucht, ihre Brille wieder aufzusetzen und erneut ins Netz einzutauchen, entschied sich aber dagegen. Kiebitze hätten sie jetzt nur aufgehalten.
    »Es könnte klappen …«, brachte Warren mit einem ängstlichen Flüstern hervor. »Aber die Reffer merken es bestimmt, wenn wir uns an die Arbeit machen …«
    »Sie wissen bereits Bescheid!« Tor hätte fast geschrien.

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