Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
Vom Netzwerk:
»Vielleicht bleiben uns nur noch wenige Momente, um zu handeln.«
    Noch ein Nicken. Diesmal mit ein wenig mehr Nachdruck, obwohl der kleine Mann so sehr zitterte, dass Tor ihm dabei helfen musste, den Schnei der aus dem Futteral zu ziehen. Sie hielt seine Hand ruhig.
    »Wir müssen durch einen Heliumbehälter schneiden, um die große Wasserstoffzelle zu erreichen«, sagte Warren und drückte den biometrisch-sensitiven Knopf. Der Schneider reagierte auf die individuelle Berührung, und an seiner Spitze entstand eine flimmernde Schneide aus Schallwellen, schärfer als Stahl. Ein leises Summen erklang.
    Tor schluckte. Das Flimmern ähnelte einer heißen Flamme.
    »Wählen Sie einen Behälter aus.«
    Sie konnten nicht feststellen, welche der grünen Heliumzellen mit Wasserstoff gefüllt worden war oder was geschehen würde, wenn der Schneider dafür sorgte, dass Gas aus benachbarten Zellen miteinander in Kontakt geriet. Vielleicht brachten sie nicht mehr zustande als eine frühe Explosion. Aber selbst das hatte Vorteile, wenn es den ursprünglich vorgesehenen Zeitplan durcheinanderbrachte.
    Eine Lektion lernte man heutzutage schon recht früh: Es hatte keinen Sinn, sich von einer fehlerlosen professionellen Protektionskaste perfekte Sicherheit zu erhoffen: Polizei und Militär, Beamte und Geheimdienste. Wie geschickt und modern sie auch sein mochten, wie viel Geld ihnen auch für leistungsfähige Technik zur Verfügung stand – sie konnten über wältigt oder clever umgangen werden. Menschen machten Fehler, und wenn das passierte, brauchte die Gesellschaft eine zweite Verteidigungslinie.
    Sie brauchte uns .
    Tor wusste, was das bedeutete: Jeder Bürger konnte zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu einem Soldaten für die Zivilisation werden. Auf die Art und Weise wie am elften September, oder am Furchtbartag.
    Mit anderen Worten: Jeder Mensch war entbehrlich.
    »Der da«, sagte Warren und trat zum nächsten grünlichen Behälter.
    Zwar trug Tor ihre Brille nicht mehr, aber es gab noch immer einen Link. Die Stimme des Smartmobs hatte nach wie vor Zugang zum Induktionskanal in ihrem Ohr.
    »Tor«, meldete sich das Gruppen-Selbst, »wir bekommen einen Feed durch Warrens Brille. Hörst du uns? Es gibt eine dritte Möglichkeit, abgesehen von Helium und Wasserstoff. Einige der Zellen könnten …«
    Tor biss zweimal auf ihren linken Eckzahn, verbannte damit die Ablen kung und konzentrierte sich auf die Anzeigen ihres Omnisniffers. Sie atmete tief durch und behielt die Indikatoren des Geräts im Auge, als Warren den Schneider ansetzte.
    Die grünliche Membran öffnete sich wie entlang eines Saums. Die Ränder flatterten, als unsichtbares Gas entwich, kühler als die Luft, die sie beide umgab.
    HELIUM, hieß es auf dem Anzeigefeld. Tor seufzte erleichtert.
    »Nicht giftig.«
    Warren nickte. »Aber kein Sauerstoff. Man könnte ersticken.« Er neigte den Kopf zur Seite, aus dem kühlen Wind, und füllte sich die Lunge noch einmal mit normaler Luft. Dennoch hatten seine nächsten Worte einen quiekenden Klang. »Wir müssen uns beeilen.«
    Er trat durch die Öffnung und zur anderen Seite des aufgeschnittenen Behälters, wo er an eine der großen Wasserstoffzellen grenzte.
    Dort machte Warren einen schnellen Schnitt.
    Alarmsignale ertönten und reagierten automatisch auf den Schaden. (Oder hatte die Reederei nach mehreren kriminell-untätigen Minuten beschlossen, das Unvermeidliche zuzugeben?) Eine laute Stimme wies die Passagiere an, in aller Ruhe die Evakuierungsstationen aufzusuchen.
    Im gleichen Moment begann die große Wasserstoffzelle zu zucken, wie ein Darm in Krämpfen. Die ganze rötliche Röhre – größer als ein Jumbojet – zog sich von unten her zusammen und drückte ihren Inhalt nach oben, gen Himmel.
    Der Rückstrom stieß Warren durch den grünen Behälter. Es gelang Tor, ihn am Kragen zu packen und zum Gang zu ziehen. Die »Luft«, die sie atmete, schien wenig oder gar keinen Sauerstoff zu enthalten, denn es bildeten sich Flecken vor ihren Augen. Dem kleinen Mann ging es noch schlechter als ihr – er japste und quiekte schrill.
    Irgendwie zerrte Tor ihn ein Dutzend Meter durch den Gang, um den erschlafften, sinkenden Membranen der beiden großen Zellen zu entgehen, und schließlich erreichten sie eine Stelle, an der sich das Atmen etwas besser anfühlte. Haben wir einen Unterschied bewirkt?, fragte sich Tor.
    Instinktiv setzte sie ihre Brille wieder auf. Erneut eingetaucht in den Mahlstrom aus Informationen, brauchte

Weitere Kostenlose Bücher