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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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Klade vermuteten, selbst wenn ein Teil davon der Wahrheit entsprach. Es durfte nur nicht bewiesen werden.
    Gegen elf, während einer zehnminütigen Pause, kehrte Hamish von der verschwenderisch parfümierten Herrentoilette zurück, als der Konferenz leiter die nächste Diskussion ankündigte: »Eugenische Verbesserung der Blutlinien und Erneuerung des Adelsstandes.«
    Der Titel erschien Hamish suspekt und klang ihm zu sehr nach Nazi-Ideologie. Andere im Publikum schienen ähnlich zu empfinden, denn Dutzende verließen den Saal, um sich Kaffee zu holen oder in Nebenzimmern Gespräche zu führen. Der Referent trat zum Rednerpult, aber Hamish beobachtete Tenskwatawa, der sich einem Seitenausgang näherte, wo ihn Rupert Glaucus-Worthington, Jevgeni Bogolomow, Helena duPont-Vonessen und andere Top-Moguln empfingen. Insbesondere Rupert wirkte abgelenkt, sogar besorgt. Etwas schien schwer auf den Schultern des alten Mannes zu lasten.
    Hamish sah sich rasch um und stellte fest, dass alle wichtigen Leute beider Seiten gegangen waren oder gerade Anstalten machten, den Saal zu verlassen. Offenbar ist es so weit. Die richtige Versammlung beginnt, dachte er und stand auf.
    Genau in diesem Augenblick sah der Prophet in seine Richtung, schüttelte kurz den Kopf und deutete ein bedauerndes Lächeln an. An der Botschaft konnte kein Zweifel bestehen: Nein, teilte Tenskwatawa Hamish mit, dies ist nicht für Sie. Dann schien das Oberhaupt der Bewegung Hamish ganz zu vergessen, wandte sich ab und folgte dem Gastgeber zu einem anderen Versammlungsort. Einem, der vermutlich noch privater und besser geschützt war, wo Vereinbarungen getroffen und über das Schicksal der Menschheit entschieden werden sollte.
    Hamish sank schwer in den Sessel zurück, als der eugenische Vortrag begann, gehalten von einem – durchaus passend – altbackenen kleinen Mann mit österreichischem Akzent. Doch Hamish war zu verblüfft und verletzt, um davon Kenntnis zu nehmen.
    Was hast du erwartet? Insbesondere nach der Art und Weise, wie Rupert dich gestern behandelt hat. Über Tausende von Jahren hinweg haben Schauspieler, Geschichtenerzähler und Zauberer gewusst, wo ihr Platz ist: für gewöhnlich nur ein bisschen oberhalb von Akrobaten und Kurtisanen. Selbst wenn sie berühmt und beliebt waren, sie verkehrten nicht freundschaftlich mit Königen oder diskutierten mit ihnen über Politik. Nur unsere junge, pubertäre Kultur erhob Unterhalter oder Menschen mit Ideen, und das wird sich ändern, wenn wir zu traditionelleren menschlichen Normen zurückkehren.
    Na ja. Ich habe immer gewusst, dass ich das eine oder andere an der Aufklärung vermissen werde.
    Hierher gehörte er also, zu den anderen Eierköpfen. Er war nicht nur ein Unterhalter, sondern ein Meister der Massenkommunikation. Eigentlich sollte er diese Themen interessant finden und sich von ihnen zu eigenen Beiträgen stimuliert fühlen. Doch es fiel Hamish schwer, sich auf die Worte des Redners zu konzentrieren.
    »… weisen diese Daten deutlich auf einen wichtigen Grund für den Niedergang der Adelshäuser in Europa, Asien, Afrika und den beiden Amerikas im Lauf der letzten tausend Jahre hin: das Festhalten an falschen Heirats- und Fortpflanzungstraditionen!
    Natürlich haben arrangierte Ehen oft dabei geholfen, Bündnisse zwischen Familien zu besiegeln, was sich kurzfristig als sehr nützlich erwies. Aber es führte zu einer katastrophalen Verkleinerung des aristokratischen Genpools! Wie oft geschah es, dass dämliche Söhne die Leistungen genialer Herrscher zunichtemachten?
    Sehen wir uns die Folgen von Inzucht bei drei Königsgeschlechtern an, den Hohenzollern, den Habsburgern und den Romanows. Monarchen, denen es nachweisbar an Intelligenz und geistiger Stabilität mangelte, sind für ein halbes Jahrhundert voller Chaos und Schrecken verantwortlich! Hundert Millionen Tote, der Ruin aller drei Königshäuser, die Aristokratie für mehrere vergeudete Generationen in Misskredit gebracht, bis die Erinnerun gen an all das Grauen schließlich verblassten.«
    Hamish sah sich einige der grafischen Darstellungen an, die über Sprecher und Publikum schwebten. Offenbar zielten die Worte dieses Referenten in die gleiche Richtung wie Sushmeetas Vortrag, mit dem einen Unterschied, dass sich die »Meritokratie« bei ihm auch auf die adligen Blutlinien erstreckte.
    »Dann gibt es das Problem des Braindrain: Viele der intelligentesten Kinder der Aristokratie wenden sich von ihr ab! Sie verzichten nicht auf all den

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