Existenz

das ist das Ding, von dem Sie sprechen, nicht wahr? Aber hat sich jemand gefragt, wie es im Schwerkraftfeld der Erde navigierte, ohne ein Triebwerk? Ganz zu schweigen davon, den Kurs zu ändern und in eine Umlaufbahn zu steuern …«
    »Vielleicht hat es jemand im Orbit zurückgelassen!«, rief jemand im Publikum. Die Dämpfer im Hörsaal konnten so eingestellt werden, dass Zwischenrufer niemanden störten. Aber diese Extropianer liebten es, die Zügel locker zu lassen.
    »Ah, die alte UFO-Geschichte.« Hamish lächelte. »Ich gebe zu, dass mir fliegende Untertassen einmal viel Spaß gemacht haben. Die Mythologie ist so wundervoll! Fremde kommen von außerhalb unseres Feuerscheins, geben rätselhafte Erklärungen ab, drohen oder nehmen bei einsamen Farmern kostenlose Darmspiegelungen vor.«
    Diesmal lachten die Zuhörer etwas lauter und offener – dies war ein Thema von großem Konsens. Hamish fühlte sogar so etwas wie Dankbarkeit für die Frau, die das Thema gewechselt hatte. Es bot ihm Gelegenheit, die Stimmung aufzulockern.
    »Ist es nicht erstaunlich, dass UFO-Aliens immer ähnlich dargestellt werden? Sie sehen aus und verhalten sich wie Kobolde oder boshafte Elfen aus alten Märchen! Was deutlich macht, woher sie wirklich kommen.«
    Er klopfte sich an die Seite des Kopfes, was ihm einige weitere Lacher bescherte.
    Doch die Reaktionen blieben unterkühlt. Nur ein Teil des Publikums achtete auf ihn, während die anderen Leute noch immer gestikulierten und irgendwelche Mitteilungen in verschiedenen Virtualitäten austauschten. Ohne die Dämpfer wäre es im Saal bestimmt ziemlich laut gewesen. Hamish sprach weiter.
    »Hinzu kommt die Tatsache, dass sich unser Planet mit immer mehr Kameras füllt – alle ein oder zwei Jahre verdoppelt sich ihre Anzahl. Bei der letzten Untersuchung hat sich herausgestellt, dass vier Fünftel der irdischen Landoberfläche rund um die Uhr überwacht werden. Aber hat uns das dabei geholfen, die lästigen fliegenden Untertassen festzunageln oder zumindest bessere Bilder von ihnen zu bekommen? Ha! Zufälligerweise fanden die Sichtungen immer weiter entfernt statt! Gerade so weit, dass die Bilder jedes Jahr aufs Neue verschwommen blieben, obwohl sich die Kameras immer mehr verbesserten!
    Früher bekamen wir undeutliche Filmaufnahmen, die einige Hundert Meter Straße zeigten, vielleicht in einer kleinen Stadt. Heutzutage scheinen solche Begegnungen der dritten Art immer nur mitten in der Wüste oder auf dem offenen Meer stattzufinden. Oder es sind Amateurastronomen, die von seltsamen Lichtern bei Mond und Mars berichten. Wo auch immer das Panoptikum Lücken hat, die …«
    Hamish hatte fortfahren und dieses Thema noch etwas mehr ausschlachten wollen, aber die Frau unterbrach ihn.
    »Mr. Brookeman, wenn Sie erlauben … Die meisten von uns kennen Ihre Meinung über UFOs aus Der Elf . Übrigens einer Ihrer dümmeren Filme. Aber können wir bitte beim Thema bleiben? Sie scheinen ein oder zwei Stunden hinter den aktuellen Ereignissen zurückzuliegen. Während wir hier miteinander reden …« Die Frau sprach langsamer, klopfte an ihre Brille und wackelte mit den Fingern der anderen Hand. »Während wir …«
    Sie unterbrach sich jetzt und starrte auf die Bilder an der Innenseite ihrer Web-Brille. Einige Sekunden schwieg sie, hauchte dann ein einzelnes Wort:
    » Donnerwetter!«
    Die Inseln der Ablenkung verwandelten sich in einen murmelnden und schwatzenden Archipel, als andere Personen auf das aufmerksam wurden, was die Journalistin so sehr faszinierte. Tags flogen zwischen einzelnen Gruppen hin und her. Männer und Frauen schnappten nach Luft, deuteten auf virtuelle Darstellungen, die nur sie sehen konnten, und kommentierten sie flüsternd.
    Hamish sah sich einem Meer aus flackernden Linsen und winkenden Händen gegenüber und räusperte sich.
    »Äh, ist gerade etwas passiert? Würde mir bitte jemand erklären …«
    Eine andere Frau, die in der ersten Reihe gesessen hatte, stand auf. Sie war schlank und groß, trug eine Brille mit reicher Ausstattung, zu der eine schwebende Gel-Linse gehörte. Hinter den klaren Brillengläsern waren hellbraune Augen zu sehen.
    »Tor Powlow von der MediaCorp-Show Die Powlow’sche Antwort «, identifizierte Wriggles die Frau. »Nennen Sie sie Miss Tor.«
    Hamish verfluchte seine langsamen Gedanken. Er hatte Wriggles mit einer subvokalen Anweisung veranlassen können, ihm einen kurzen Bericht darüber zu geben, was alle anderen so aus dem Häuschen gebracht