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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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lassen.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte Hamish und versuchte, seinen Vortrag einige Minuten eher als geplant zu beenden. » Ich denke über die Möglichkeit nach, dass die Welt besser wird, wenn Sie sie mit sprechenden Krokodilen, Roboter-Philosophen, gedownloadeten Cyberkopien und unsterblichen Nerds füllen – wenn Sie den Gefallen erwidern und über meine Hypothesen nachdenken. Dass die Menschheit bereits zu schnell nach vorn gestürmt ist. So schnell und so weit, dass wir bis zum Hals in Schwierigkeiten stecken.«
    Hamish sprach langsam und gab den Zuhörern damit zu verstehen, dass er sich dem Ende näherte.
    »Wenn ich recht habe, und wenn es noch nicht zu spät ist, gibt es vielleicht eine Lösung. Die gleiche Methode, die in den meisten menschlichen Kulturen Verwendung fand, in denen es genug Weisheit gab, sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Ich meine die zehntausend anderen Gesellschaften, die viel länger von Bestand blieben als diese sogenannte Aufklärung, auf die wir so stolz sind.
    Jene Menschen überlebten, pflanzten sich fort und schickten ihre Nachfolger sicher auf den Weg. Das ist die Bedeutung des Begriffs ›Vorfahre‹! Über Jahrhunderte und Jahrtausende übergaben sie den Stab den nächsten Generationen, die ihrerseits das Leben und die menschliche Kultur an weitere Generationen weitergaben. Sie starben mit dem Wissen, dass die Geschichte weitergehen würde. Es klingt nach einer leichten Aufgabe, aber sie war nie leicht, für niemanden von ihnen. Es war vielmehr anstrengend, eine große Herausforderung, die den größten Teil ihres Lebens beanspruchte. Das Kernziel eines jeden gesunden Individuums oder der Zivilisation und sogar der ganzen Spezies. Ein Ziel, dass Sie Möchtegern-Gottmacher und Wichtigtuer vergessen haben in Ihrem ungeduldigen Streben nach individueller Befriedigung, persönlicher Unsterblichkeit und sogenanntem Fortschritt.
    Und vielleicht droht genau diesem Ziel die größte Gefahr, während wir gemeinsam einem ungewissen, gefährlichen Morgen entgegengehen.«
    Hamish erntete gemischten Applaus. Etwa die Hälfte der Zuhörer klatschte, die andere Hälfte saß einfach nur da, während sie finstere Blicke auf ihn richtete. Zur letzteren Gruppe gehörte Roger Betsby. Er saß in der zweiten Reihe, und sein Gesichtsausdruck blieb weitgehend neutral.
    Hier und dort begannen Diskussionen im Saal, manche zwischen Sitznachbarn, aber auch in den Augmented-Reality-Levels. Leute drehten sich um, deuteten auf andere in der Menge und vertrauten darauf, dass die Brillen ihre Worte durch den Vir-Raum leiteten. Manche standen auf, winkten anderen zu und bildeten mit ihnen Gruppen.
    Donnerwetter, ich habe sie wirklich aufgebracht!
    Hamish fühlte sich gut. Jedes Mal, wenn er diese Botschaft überbrachte, klang sie ein bisschen besser und konnte rhetorisch zurechtgebogen, den jeweiligen Umständen angepasst werden. Jetzt war sie bereit für die Denkfabrik der Bewegung. Der Gedanke, die Zukunft der ganzen Welt zu beeinflussen, entschädigte ihn zumindest teilweise für die kostbare Zeit, die ihn dies kostete und die er nicht seiner kreativen Arbeit widmen konnte.
    Die folgenden Fragen bildeten wie erwartet eine bunte Mischung – einige stellten höfliche Herausforderungen dar, während andere direkte Feindseligkeit zum Ausdruck brachten. Hamish störte sich nicht daran. Er stachelte einige besonders fanatische Techno-Gläubige an, damit sie mit sich überschlagenden Stimmen losbrüllten und die Saalordner einschreiten mussten. Mit genau diesen Bildern konnten Tenskwatawas Leute am meisten anfangen – sie würden sie benutzen, um ein wichtiges Klischee zu verstärken: das von glotzäugigen Radikalen. Solche Bilder sollten zeigen, dass man diesen Leuten nicht einmal ein brennendes Streichholz anvertrauen durfte, ganz zu schweigen von Hightech-Macht über das Schicksal der Menschheit.
    Mehr Personen standen auf, um nach dem Ende des Vortrags den Saal zu verlassen. Aber viele andere klopften an ihre Brillen, wackelten mit den Fingern, murmelten und gestikulierten, während sie eNotizen austauschten.
    Sie sind aufgeregt. Vielleicht muss ich durch die Hintertür hinausschlüpfen.
    Die ganze Zeit über versuchte Hamish, den bärtigen Mann in der zweiten Reihe nicht direkt anzusehen. Einige der Leute da draußen – jene mit besonders leistungsfähigen Brillen – konnten feststellen, wohin sein Blick ging. Sie bemerkten es vielleicht, wenn er einer Person zu viel Aufmerksamkeit

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