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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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uns.« Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, war es Walde klar, dass er das Falsche gesagt hatte. Er hatte womöglich einen Mann an der Strippe, der es absolut nicht schick fand, der Polizei zu helfen. Polizei war für den wahrscheinlich die behelmte und mit Schlagstöcken und Wasserwerfern ausgestattete Macht des Staates, die auf Teufel komm raus atomare Endlager gegen friedliche Protestierer zu schützen versuchte.
    »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, versuchte Walde es erneut. »Bitte rufen Sie den Hanni an und fragen ihn, wann er zuletzt Kontakt mit Edith Hippens hatte und ob er vielleicht weiß, wo sie sich aufhalten könnte. Er kann es Ihnen sagen oder mich direkt anrufen, ich gebe Ihnen meine Nummer.« In das folgende Schweigen fragte Walde: »Was halten Sie davon?«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis der Therapeut antwortete. »Das kann ich machen.«
    »Bitte machen Sie es sofort!« Walde legte auf und versicherte sich, dass sein Handy genug Ladekapazität hatte, bevor er nach Hause ging.
    *
    Während Walde in der Geschichte von dem kleinen Männlein auf dem schwedischen Bauernhof las, hatte Annika unentwegt einen Finger im Mund und schien nicht recht zuzuhören. Morgen werden wir wohl eine andere Geschichte aussuchen müssen, dachte Walde beim Zuklappen des Buches.
    »Guck mal, der wackelt.«
    Im schwachen Licht der roten Lampe konnte Walde kaum den Finger sehen, mit dem Annika auf ihren Mund zeigte.
    »Wo?«
    »Da!«
    Er kam mit dem Auge ganz nah an ihren Mund heran. Manchmal spielten sie dieses Spiel, dass der eine dem anderen aus nächster Nähe zusah, wie er ganz langsam den Mund öffnete, was so schaurig wie bei einem Haifisch wirkte. Sie wendete ihr Gesicht der Lampe zu, und da sah er, wie sie den Zahn rechts neben den beiden längsten Schneidezähnen mit dem Zeigefinger vor- und zurückbog.
    »Da weiß ich was, das hat mir früher, als ich so alt war wie du, meine große Schwester beigebracht: Einen Faden um den Zahn binden und das andere Ende an der Türklinke festmachen und wenn jemand reinkommt …«, er klatschte in die Hände, Annika zuckte zusammen, »zack, ist der Zahn weg!«
    »Und wenn du ihn mir rausziehst?«
    Das würde er niemals über sich bringen. »Warten wir noch bis morgen, dann geht es bestimmt leichter.« Er beugte sich über sie und küsste ihre Stirn. »Schlaf gut und träume was Feines.«
    »Und wenn ich nichts träume?«, rief sie ihm nach.
    Er blieb im Türrahmen stehen. »Jeder Erwachsene und jedes Kind träumt ganz viel in der Nacht.«
    »Und wenn ich mich nicht daran erinnere?«
    »Dann siehst du den schönen Traum morgen früh in deinem lächelnden Gesicht im Badezimmerspiegel.«
    »Und wenn dann der Zahn fehlt?«
    »Dann hat ihn heute Nacht die Zahnfee geholt.«
    »Die gibt es doch gar nicht!«
    »Lass’ dich überraschen!«
    Im Wohnzimmer war es wärmer als sonst. Doris saß auf der Couch und sah fern. Neben ihr lag die schlafende Mathilda auf einer Decke, rundherum durch zwei dicke Stillkissen gesichert. Walde setzte sich neben sie an den Rand des Schemels, auf dem die Katze eingerollt schlief. Noch bevor er ihr die Hand hinter den Kopf legte, begann Minka ganz sachte zu schnurren.
    »Warum bist du denn heute am Ufer gleich weitergegangen?«, fragte er.
    »Warum flüsterst du?«
    »Ich möchte Mathilda nicht wecken und dich nicht beim Fernsehen stören.«
    »Sie ist mit ihrer Verdauung beschäftigt, und wenn ich beim Fernsehen zuhören will, störst du mich auch mit Flüstern.«
    Walde wiederholte seine Frage in Zimmerlautstärke.
    »Warum warst du so kurz angebunden?«
    »Ich wollte eure Zweisamkeit nicht stören.«
    »Hallo? Gabi hat sich bei mir untergehakt, weil sie auf der Holperstrecke mit ihren Stöckeln nicht zurechtkam.«
    »Ihr wart in Zurlauben einen Kaffee trinken?«
    Mathilda seufzte. Er beugte sich über sie. Ihre Augen blieben geschlossen.
    »Wir hatten dort eine Zeugenbefragung.«
    »Aha.«
    Auf dem Bildschirm erschien eine in dunkles enges Leder gehüllte Frau mit Gesichtsmaske. Ihre Stimme hörte sich entfernt wie Schnurren an.
    Minka hob den Kopf. Er nahm die Hand von ihr weg, während sie sich lang machte.
    »Ganz schön … flink«, sagte er und war froh, dass er nicht sexy gesagt hatte. »Ja, wirklich.« Er schaute wieder zu Doris. »Kaffee gibt es auch im Präsidium, dafür brauchen wir nicht nach Zurlauben zu fahren.«
    Doris wandte sich wieder dem Fernseher zu. »Weißt du schon, was du dir zum Geburtstag wünschst?«
    Er hatte es nicht

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