Exit Mosel
werden wir diese Unterredung im Präsidium weiterführen.«
»Ich kenne meine Rechte!«
»Dann frage ich mich, warum Sie sich jetzt so aufregen«, seufzte Gabi. Der fein ausrasierte Kinnbart ließ den Mund des Mannes erscheinen, als sei er rundherum mit Schokolade bekleckert.
»Und Sie haben mich noch nicht einmal über meine Rechte aufgeklärt!«, bellte Holbach.
»Das pflegen wir für gewöhnlich bei Zeugen nicht zu tun.« Walde blieb ruhig.
»Was halten Sie davon, wenn wir Ihnen erst mal unsere Fragen stellen?« »Und die wären?«
»Es geht um die Rettungsaktion an der Mosel.«
»Da war ich nicht dabei!«
»Aber Sie haben dazu eine Pressemitteilung herausgegeben.«
»Ich bin der Pressewart!«
»Dann müssen Sie sich doch kundig gemacht haben.«
»Selbstverständlich habe ich das!«
»Dann erzählen Sie mal.« Walde fuhr mit der flachen Hand über die absolut staubfreie Glasplatte des Tisches.
»Meine Vereinskollegen haben die Frau versorgt. Ich bin etwas später hinzugekommen und habe mit Jacco Hoek, dem Retter, nicht mehr sprechen können. Er wird morgen wieder nach Trier kommen und am Samstag beim Glaukosschwimmen die Lebensrettungsmedaille erhalten.«
»Können Sie mir mehr über diesen Mann sagen?« Walde machte Notizen.
»Wie gesagt, er hat Edith Hippens aus dem Auto geholt, Jacco mit zwei C und Hoek mit OE, Busfahrer aus Eindhoven, auf Klassenfahrt, wohnte in der Jugendherberge und hat sich an der Mosel die Beine vertreten. Sozusagen der richtige Mann am richtigen Ort!«
Gabi zog aus ihrer Handtasche eine Klarsichthülle mit den von Grabbe zusammengestellten Presseartikeln. »Ich stelle mir das nicht gerade einfach vor, was dieser Hoek da vollbracht hat.«
»Das kann man wohl sagen! Der war bei der holländischen Reddings Brigade, was auf Deutsch soviel wie Rettungsbrigade heißt, und hat in den Sommerferien als Baywatch an der holländischen Küste gejobbt.« Holbachs Mimik zeigte wieder die Begeisterung von vorhin, als er von seiner Arbeit gesprochen hatte.
»Da ist noch von einem zweiten Mann die Rede, der aber nicht geholfen haben soll.« Gabi tippte auf eine mit Textmarker gekennzeichnete Stelle.
Holbach legte den Kopf schräg, schaute an ihnen vorbei und sagte nach einem Moment: »Das sagt mir jetzt nichts.«
»Wie kommt es denn, dass Sie den Namen dieses zweiten Mannes an Rosemarie Hippens weitergegeben haben?« Walde schaute den Mann aufmerksam an. »Gerhard Roth.«
»Kann sein, dass der nach dem ersten Bericht in der Zeitung bei mir angerufen hat.« Holbach rückte seinen Stuhl zurück, als wolle er aufstehen.
»Warum hat er angerufen?«
»Weiß ich nicht mehr. Irgendeine Beschwerde oder so.«
»Darüber, dass Sie die Rettung falsch dargestellt haben?«
»Das ist mir momentan nicht geläufig«, Holbach schaute an Walde vorbei.
»Und Sie haben anschließend behauptet, er hätte nicht bei der Rettung geholfen«, setzte Gabi nach.
»Weiß ich nichts von, das haben die von der Zeitung geschrieben.«
»Sieht mir nach einem Zitat von Ihnen aus. Ist in Anführungsstrichen gesetzt und Ihr Name steht dabei.«
»Das kann ich mir nicht erklären.« Holbachs Atem ging gepresst.
Gabi schob die Blätter zusammen. »Senden Sie uns bitte alle Pressemitteilungen zu, die Sie in dieser Angelegenheit herausgegeben haben.«
»Es waren nur zwei. Und die finden Sie auch auf der Homepage des TCM.«
»Und versuchen Sie sich an das Gespräch mit Gerhard Roth zu erinnern.«
»Da müsste ich in meinen Notizen nachschauen«, versuchte Holbach auszuweichen.
»Tun Sie das, wir sehen uns heute Abend.«
Auf der Rückfahrt fragte Gabi, nachdem sie zum wiederholten Male vergeblich versucht hatte, Edith Hippens auf dem Handy zu erreichen: »Weißt du, was das sind, diese Dingsbumsaffen?«
»Was?«
»Holbach hat so was aufgezählt, bei dem ganzen Kram, den er besorgen muss.«
»Meinst du Agraffen?«
»Kann schon sein.«
»Das sind diese Drahtbügel, die den Korken halten.«
»Aha! Wusstest du, dass mehr Leute im Jahr durch umherfliegende Sektkorken ums Leben kommen als durch Blitzschläge?«
Walde ließ sich bei Frau Hippens in Zurlauben absetzen. Gleich nach dem Klingeln öffnete die alte Frau die Tür. Seit dem Morgen schien eine senkrechte Falte in der Mitte ihrer gefurchten Stirn hinzugekommen zu sein. Ihr Haar war ungekämmt. Wahrscheinlich hatte sie stundenlang auf das Schlagen der Haustür und das Läuten des Telefons gelauscht.
»Ihre Großnichte ist noch nicht nach Hause gekommen?«,
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