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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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erwartet und war umso froher, dass sie so schnell das Thema wechselte. »Ich überlege mir was.«
    Wenig später kam Doris zu Walde ins Musikzimmer. »Mathilda und ich möchten dir Gute Nacht sagen.«
    Walde stellte den Bass, auf dem er leise gezupft hatte, in den Instrumentenhalter zurück. Mathilda trug bereits einen Strampler für die Nacht. Er nahm sie auf den Arm, und während sie an seiner Schulter lehnte, sog er den wunderbaren Duft ihrer Kopfhaut ein. Sie war wach und nuckelte an Zeige- und Mittelfinger.
    »Übrigens hab’ ich mir ein paar Sachen notiert, die ich mir zum Geburtstag wünsche«, sagte Walde.
    Doris legte ihm eine Windel über die Schulter. »Denk’ dran, es ist kein runder, nur ein hundsgewöhnlicher Geburtstag.«
    Walde seufzte: »Es ist ein Taschenbuch für 8,95, ein Woody-Allen-Film für 5,95 und eine Kochschürze, und wenn es nicht zu viel verlangt ist, noch …«
    »Was noch?«
    »Ich denke, für einen hundsgewöhnlichen Geburtstag reicht das schon.«
    »Sag schon, was wolltest du denn noch?«, beharrte sie.
    »Nee, ist schon genug.«
    »Komm, sag schon, ich kann ja immer noch ablehnen.«
    Er versuchte so zu tun, als ziere er sich. »… also, Annika ist doch neulich mein Lieblingsglas runtergefallen, das kleine Wasserglas.« Dass er daraus öfter Wein als Wasser trank, unterschlug er. »So eins hätte ich gerne wieder.«
    Es erfüllte ihn die Genugtuung des Geschundenen, als er den zerknüllten Wunschzettel in weitem Bogen mitten im Papierkorb versenkte.
    *
    Nachdem das Taxi vorbeigesaust war, hörten die beiden Frauen, die in der Nacht über die Römerbrücke stadteinwärts eilten, nur noch das Klappern ihrer Absätze. Hoffentlich hat dieser Pressluftschuppen in der Karl-Marx-Straße nicht mehr auf, dachte Anke. Der kalte Wind fuhr ihr durch die noch vom Tanzen verschwitzten Haare. Laura hatte den Arm um sie gelegt. Zum einen, weil sie beste Freundinnen waren, zum anderen, weil Laura wieder einmal zu viel in der Luke getrunken hatte. So gut kannte sie ihre Freundin. Wenn diese Kaschemme noch geöffnet hatte, würde sie da rein wollen, um noch einen Absacker mit den alten, kaputten Säufern zu trinken, ein paar Sprüche von sich zu geben und dabei so dreckig zu lachen, dass selbst die Hartgesottensten zusammenzuckten.
    Hinter den alten Moselkranen zog der hell beleuchtete Landeplatz auf dem Dach des Krankenhauses ihren Blick an. Während sich Anke fragte, ob dort die Rettungshubschrauber auch mitten in der Nacht landeten, bemerkte sie auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke eine junge Frau, die mit weit nach vorn gebeugtem Oberkörper am Geländer lehnte. Anke schaute sich um, sie konnte kein Schiff auf der Mosel entdecken. Vielleicht beobachtete die Frau einen Schwan, der zu später Stunde noch auf dem Wasser unterwegs war. Anke wurde von ihrer Freundin weitergezogen, drehte sich nach ein paar Metern jedoch noch einmal um. Am Geländer stand niemand mehr, die Frau war verschwunden.
    »Laura, die ist nicht mehr da!« Sie schüttelte den Arm ihrer Freundin ab und lief über die Fahrbahn auf die andere Seite der Brücke. Über das Geländer gebeugt starrte sie nach unten.
    Etwas weiter flussabwärts schien sich das grauschwarze Wasser zu kräuseln. Rechts spiegelten sich die Lampen der Uferstraße im Fluss.
    »Da ist sie!« Anke stieß ihre Freundin, die inzwischen neben ihr stand, und wies mit dem Arm zu der Stelle flussabwärts, wo die Frau offensichtlich um ihr Leben kämpfte. »Ruf die Feuerwehr, 110 oder 112.« Während sie zum stadtseitigen Ende der Brücke lief, dachte sie noch kurz darüber nach, ob Laura überhaupt dazu in der Lage war, den Notruf zu tätigen. Sie spurtete bereits die Rampe hinunter zum Ufer, auf dem Pflaster an dem ersten Kran entlang, dann zum zweiten und dahinter auf den geteerten Treidelweg am Wasser. Dort angekommen, blickte sie beim Laufen unverwandt auf den Fluss. Außer dem Klappern ihrer Schuhe und ihrem keuchenden Atem war nichts zu hören. Ankes Kräfte ließen rapide nach. Sie war die Strecke viel zu schnell angegangen, und nun konnte sie nicht mehr. Auch als sie stehen blieb, waren keine Hilferufe oder andere Geräusche vom Wasser her zu hören. Nach Atem ringend, beugte sie sich nach vorn, ließ sich auf die Knie sinken und übergab sich.

Freitag
    Um zehn Uhr am Morgen ratterte Grabbe einen Zwischenbericht für Walde in einem Tempo herunter, als habe er zu viel Kaffee getrunken. »Gabi ist auf Sammeltour, Tafel, wie du weißt. Auf der

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