Exit to Eden
Hitze in der Ostbucht mochten und die Hügel schön fanden. Das übrige Berkeley hassten sie.
Ich kannte die Straße, sogar das Haus, ein großes, verlottertem mit braunen Schindeln gedecktes Gebäude an der Mariposa, und ich hatte sogar häufig die Lichter in der großen Bibliothek gesehen, wenn ich dort vorbeifuhr.
Dort las ihr Vater Teilhard de Chardin und Maritain und G.K. Chesterton und all die katholischen Philosophen. Er las lieber, als mit Leuten zu reden; er war bekannt für seine Unfreundlichkeit und Kälte. In bezug Sex hielt er sich an die Vorgaben von Augustinus und Paulus. Keuschheit war sein Ideal. Aber er konnte es nicht praktizieren. Sonst wäre er Priester geworden. Genaugenommen war ihm Sex etwas Schmutziges. Homosexuelle sollten enthaltsam leben. Sogar Küssen war eine Todsünde.
Ihre Mutter äußerte niemals eine andere Meinung; sie gehörte sämtlichen Kirchenorganisationen an, arbeitete auf Wohltätigkeitsveranstaltungen, bereitete jeden Sonntag ein großes Abendessen, gleich, ob die Kinder zu Hause waren oder nicht. Lisas jüngere Schwester war einmal gefährlich nahe daran gewesen, Playmate des Monats im Playboy zu werden, eine Familientragödie. Wenn eine seiner Töchter eine Abtreibung hätte oder nackt in einer Zeitschrift abgebildet wäre, sagte der Vater, würde er nie mehr mit ihr sprechen.
Er wußte nichts vom Club. Er glaubte, Lisa arbeite für ein privates Unternehmen irgendwo in der Karibik, wo die Leute, die dort hinkamen, wegen verschiedener Krankheiten behandelt wurden. Darüber mußten wir beide lachen. Er wollte, daß Lisa kündige und nach Hause käme. Ihre ältere Schwester hatte einen langweiligen Immobilienmillionär geheiratet. Die anderen drei waren alle auf katholische Schulen gegangen, nur Lisa hatte erklärt, sie gehe auf die Universität von Kalifornien oder sie studiere überhaupt nicht. Ihr Vater spottete über die Bücher, die sie las, und die Aufsätze, die sie schrieb. Lisa hatte ihre erste S&M-Erfahrung mit einem Berkeley-Studenten, als sie sechzehn war. Mit acht Jahren hatte sie ihren ersten Orgasmus gehabt und gedacht, sie wäre geisteskrank.
»Wir waren alle gute Katholiken«, sagte sie » Wenn du unter Katholiken einfältige, dumme Leute verstehst, Bauern, die in den Hinterreihen der Großstadt-Kathedralen ihren Rosenkranz beten, dann kennst du meinen Vater nicht. Alles, was er sagt, hat dieses fürchterlich intellektuelle Gewicht, diesen konstitutionellen Puritanismus, diese Sehnsucht nach dem Tod.«
Er war ein hochintelligenter Mann, liebte die Künste und sorgte dafür, daß seine Töchter viel über Malerei und Musik lernten. Sie hatten einen Flügel im Wohnzimmer und echte Gemälde an den Wänden, Radierungen von Picasso und Chagall. Ihr Vater hatte vor vielen Jahren Mirandi und Miro gekauft. Als Lisas jüngere Schwester sechs Jahre alt war, verbrachten sie jeden Sommer in Europa. Sie wohnten ein Jahr in Rom. Ihr Vater beherrschte die lateinische Sprache so gut, daß er sein Tagebuch in Latein führte. Wenn ihr Vater je etwas über den Club oder über ihr verborgenes Leben erführe, würde das seinen Tod bedeuten.
»Eines kann ich jedoch zu seinen Gunsten sagen, und du wirst es vielleicht verstehen, wenn überhaupt jemand es verstehen kann. Er ist ein hochgeistiger Mann, wirklich ein geistiger Mensch. Ich habe nicht viele Leute kennengelernt, die wirklich ihren Glauben leben so wie er. Und das Komische daran ist, daß auch ich nach meinem Glauben lebe, absolut. Der Club ist der ganze Ausdruck dessen, was ich glaube. Ich habe eine Philosophie des Sex. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte mit ihm darüber sprechen. Er hat eine Tante und eine Schwester, die Nonnen sind. Eine bei den Trappisten, eine bei den Karmeliterinnen. Sie leben in Klöstern. Ich würde ihm gern erzählen, daß ich ebenfalls eine Art Nonne bin, weil ich erfüllt bin von dem, was ich glaube. Du kannst verstehen, was ich meine. In gewisser Weise ist es ein Witz, bei Lichte betrachtet. Wenn Hamlet zu Ophelia sagt: >Geh in ein Kloster<, meint er in Wirklichkeit ein Bordell, keineswegs ein Kloster.«
Ich nickte, ein wenig verblüfft.
Ihre Geschichte erschreckte mich, und ich drückte sie fest an mich, während sie sprach. Ihr Eifer und ihre Intensität waren hinreißend, ebenso die Direktheit und Ehrlichkeit ihres Ausdrucks. Ich genoß die Einzelheiten, die sie beschrieb, ihre erste Kommunion, das Hören von Opernmusik in der Bibliothek mit ihrem Vater, das Davonschleichen zu
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