Exit to Eden
hatte, als zu lesen und nachmittags spazierenzugehen. Es sei, da hätte ich recht, fabelhaft, hier spazierenzugehen.
Ihr Verhalten änderte sich. Sie wurde ganz sanft. Sie lächelte. Ihre Wangen waren ein klein wenig gerötet.
Ich glaube, im Club war sie sich immer bewußt, daß Leute sie beobachteten, wahrscheinlich mehr als jeden Sklaven. Und hier ließ sie sich einfach laufen, aß ihre Austern, trank ihr Bier und genoß jeden Krümel, jeden Tropfen.
Gegen zehn Uhr war ich in einer Hochstimmung, die man nur vom Bier bekommt, und wenn man lange nichts getrunken hat.
Wir saßen in dem dicht besetzten Speisesaal unter den grellen Lampen, alle Leute redeten laut, und sie strich Butter auf das Brot, erzählte locker und angeregt von ihrem einen großen Ausflug, von diesem Haus auf einer Plantage, wo sie allein hingefahren war. Sie hatte ein Auto gemietet und war nach Saint Jacques Parish gefahren.
Sie hatte nur dieses alte, verfallene Haus sehen wollen, und es gab niemanden, der mitgekommen wäre, also fuhr sie allein. Sie sprach von dem Gefühl der Machtlosigkeit, daß sie, selbst in Kalifornien, wo sie aufgewachsen war, nichts allein unternehmen konnte und daß sie es aus unerklärlichen Gründen hier nicht hatte. Hier machte sie alle Unternehmungen allein. Sie war hinreißend angeregt, ihr Hals und ihre Hände waren außerordentlich graziös, und das Kleid warf im Lampenschein die Schatten an die richtigen Stellen.
Dann kamen die Barbecue-Garnelen, absolut phantastisch, und sie machte sich sofort darüber her.
Ich glaube nicht, daß ich eine Frau lieben könnte, die diese Barbecue-Garnelen nicht zu essen vermag. Das Gericht wird keineswegs auf dem Rost gegrillt. Es ist eine Riesengarnele, die mitsamt Kopf und Schale in einer tiefen Schüssel in einer scharfen Soße im Backofen gegart wird. Sie bringen sie genau so auf den Tisch. Man muß den Kopf abreißen und die Schale entfernen, alles mit den Fingern. Es macht einen zum Feinschmecker, dann zum Schlemmer und schließlich zum Barbaren. Man trinkt weißen oder roten Wein dazu, aber am besten paßt Bier, darin stimmte sie mir zu. Wir tranken jeder drei weitere Gläser Heineken, tauchten das französische Brot in die Soße und putzten unsere Teller sauber, als wir fertig waren. Ich hatte Lust auf mehr.
»Ich bin schier am Verhungern«, sagte ich. »Ich habe nichts als Schlabberkram gegessen, seit ich ins Gefängnis kam. Ich habe gesehen, was die Mitglieder zu essen kriegen. Warum füttert ihr die Sklaven mit solchem Schlabberkram?«
Sie lachte laut auf.
»Damit sich dein Bewußtsein auf Sex konzentriert«, sagte sie. »Sex muß das einzige Vergnügen sein, das du hast. Wir können doch nicht zulassen, daß du dich auf das Abendessen freust, wenn du mit einem neuen Mitglied Liebe machen sollst, verstehst du? Und nenn es nicht ein Gefängnis. Es sollte der Himmel auf Erden sein.«
»Oder die Hölle«, lachte ich. »Ich habe mich immer gefragt, wie wir Masochisten, denen es irgendwie gelingt, gerettet zu
werden, den Engeln je werden begreiflich machen können, daß wir uns lieber von ein paar Teufeln quälen lassen. Ich meine, wenn es der Himmel sein soll und es gibt keine Teufel, dann ist das wirklich die Hölle.«
Das zündete echt. Eine Frau zum Lachen zu bringen ist das Zweitbeste.
Ich bestellte noch ein Garnelengericht, und wir stürzten uns beide darauf. Inzwischen lichtete sich die Menge im Speisesaal. Tatsächlich waren wir die letzten Gäste im Manale's; ich bestritt die ganze Unterhaltung und redete darüber, wie man New Orleans fotografieren sollte und wie nicht, und dann fragte sie mich, wie ich zur Fotografie gekommen sei und wann ich den Doktor in Englisch gemacht habe und was die beiden, der Doktorgrad und die Fotografie, miteinander zu tun hätten.
»Gar nichts«, sagte ich. Ich blieb auf der Schule, solange es ging, erhielt wirklich eine Gentleman-Ausbildung, las sämtliche großartigen Bücher dreimal. An der Fotografie arbeitete ich, darin war ich gut, sie liebte ich.
Wir bestellten zwei Tassen Kaffe, bevor wir gingen und die Napoleon Avenue Richtung Saint Charles entlangspazierten. Es war eine beinahe perfekte New-Orleans-Nacht, ganz und gar nicht heiß, kein Wind und die Luft so, daß sie sich beinahe aufdrängte, eingeatmet zu werden.
Ich sagte wieder, daß es zum Spazierengehen keine bessere Stadt in der Welt gebe. Wenn man versucht, in Port-au-Prince herumzulaufen, bleibt man im Schlamm stecken, die Bürgersteige taugen nichts, und
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