Exit to Eden
Kerzen beleuchteten Zimmer auspeitschen zu lassen. Ich fühle mich als Außenseiterin, weil ich alle Formen von Sex zwischen zwei Individuen, die sich darüber geeinigt haben, nachvollziehen kann. Es ist, als fehle mir ein Teil des Gehirns. Nichts stößt mich ab. Mir erscheint alles unschuldig, alles hat mit intensiven Gefühlen zu tun, und wenn mir Leute sagen, sie seien von Dingen angewidert, dann verstehe ich einfach nicht, was sie meinen.«
Ich war fasziniert. Im Licht der Bar sah sie exotisch aus, ihr Gesicht bestand nur aus Ecken und Kanten, ihre Stimme klang leise und natürlich, und ihr zuzuhören war, wie Wasser zu trinken.
Bevor wir aus New Orleans abreisen würden, sagte sie, müßten wir die Transvestiten-Shows an der Bourbon Avenue besuchen, die echt obszönen, mit den Frauendarstellern, die sich Hormonspritzen geben und sich operieren lassen, um zu Frauen zu werden. Sie liebte diese Shows.
»Das ist doch nicht dein Ernst?« lachte ich. »Keine zehn Pferde bringen mich in diesen Schuppen.»
»Warum nicht?« sagte sie ärgerlich. »Diese Leute leben nach ihren sexuellen Prinzipien, sie leben ihre Phantasien aus. Sie sind willens, Außenseiter zu sein.«
»Aber das sind doch alles Touristenschuppen. Wie weit kann man sich von der Eleganz des Clubs entfernen?«
»Das spielt keine Rolle«, sagte sie. »Eleganz ist nichts als eine Form der Kontrolle. Ich mag diese Schuppen. Ich fühle mich verdammt wie ein Frauendarsteller, und ich sehe ihnen gerne zu.«
Ihre ganze Haltung änderte sich, während sie das sagte, und sie begann ein bißchen zu zittern. Also sagte ich ganz schnell, wenn sie sie unbedingt sehen wolle, gingen wir natürlich hin.
»Tut mir leid«, sagte ich. Meine Zunge war ein bißchen schwer geworden. Ich hatte zwei Heineken getrunken, seit wir in die Bar gekommen waren. »Du sagst, wo's langgeht. Warum entscheidest du nicht einfach, was wir unternehmen?«
»Weil ich das eben getan habe. Und du hast geantwortet: >Das
ist doch nicht dein Ernst<. Außerdem habe ich keine Lust, dir zu
sagen, was du tun sollst, und ich schreibe auch kein Drehbuch!«
»Laß uns von hier verschwinden«, sagte ich.
Wir gingen hinaus, standen ungefähr zwanzig Minuten vor dem Tor des Lafayette-Friedhofs und diskutierten darüber, ob wir über die Mauer klettern und zwischen den Gräbern Spazierengehen sollten oder nicht. Ich mag diese Grabmäler mit den griechischen Säulen und Giebeln, den verrotteten Eingängen und den rostigen Särgen. Ich war drauf und dran, über den Zaun zu steigen. Aber andererseits riskierten wir, verhaftet zu werden.
Wir beschlossen, statt dessen durch das Gartenviertel zu schlendern.
Wir flanierten entspannt durch die Straßen, bewunderten die Häuser der Jahrhundertwende, weiße Säulen im Mondlicht, schmiedeeiserne Gitter und alte Eichen mit so dicken Stämmen, daß ich sie mit den Armen nicht umfassen konnte.
Es gibt wahrscheinlich weltweit kein zweites Stadtviertel wie dieses, die riesigen verschlafenen Häuser, Relikte einer vergangenen Zeit, adrett und heiter in den gepflegten Gärten, hier und da das Summen einer automatischen Berieselungsanlage, glitzernder Sprühregen in der blätterreichen Dunkelheit. Allein schon die Bürgersteige sind schön, mal mit Pflastersteinen im Fischgrätenmuster, mal mit violetten Steinplatten gepflastert, dazwischen Flickstellen aus Zement, von den Wurzeln der gigantischen Bäume zu kleinen Buckeln aufgeworfen.
Sic hatte Lieblingshäauser, Häuser, die sie anschauen ging seit der Zeit als sie hier gewohnt und nichts anderes getan hatte, als zu lesen und spazierenzugehen. Wir gingen sie jetzt besuchen. Wir fanden zwei Häuser mit Schildern am Zaun, auf denen stand: »Zu verkaufen«, und eines der Häuser hatte es uns besonders angetan, ein großes, schmales, klassizistisches Gebäude mit dem Eingang auf der linken Seite und zwei Fenstertüren zur Frontveranda hin. Es war vormals dunkelrosa gestrichen gewesen, weiß abgesetzt, aber jetzt blätterte die Farbe überall ein bißchen ab, nur dort nicht, wo es mit wildem Wein überwachsen war. Es hatte korinthische Säulen, eine breite Treppe und eine Reihe von alten Magnolien entlang des Zauns. Hinter einer Ziegelmauer war ein Garten, den wir nicht sehen konnten.
Wir standen lange vor dem Tor, küßten uns und schwiegen, bis ich sagte, wir sollten das Haus kaufen. Wir würden glücklich darin leben, zusammen rund um die Welt reisen und hierher wieder zurück nach Hause kommen. Es war groß genug
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