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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gewandert war, als wäre es ein Ausflug nach Disneyland. Ich wollte Aufträge haben, die mich dorthin brachten, wo was los war, ohne die geringste Vorstellung davon zu haben, was ich tat. Ich nutzte diese Leute aus. Ich nutzte ihre Kriege aus. Ich benutzte alles, was passierte.«
    »Was meinst du mit ausnutzen?«
    »Schatz, die Leute interessierten mich gar nicht. Es war alles nur Geschwätz. Liberales Berkeley-Geschwätz. Es war für mich wie eine Zirkusvorstellung.«
    »Sie interessierten dich nicht ... die Leute in Beirut: Twenty-four Hours? «
    »Oh, doch«, sagte ich. »Sie zerrissen mir das Herz. Ich war nicht einfach bloß ein blöder Amateur, der das alles fotografierte. Doch in Wirklichkeit wurden ihre Qualen durch die Fotografie verharmlost, abstrahiert. Man kann sie nicht auf einen Film bannen. Aber auf eine unheimlich realistische Weise war mir das egal. Ich war in den tiefsten Tiefen meines Herzens froh, daß es den Krieg, das Leiden und die Gewalt gab, so daß ich sie erleben konnte. Das ist die Wahrheit!«
    Sie schaute mich eine Weile an. Dann, ganz langsam, nickte sie.
    »Ja, du verstehst es«, sagte ich. »Wie wenn man in Laguna Seca an der Rennstrecke steht und denkt: Wenn es einen Unfall gibt, dann hoffentlich hier, damit ich alles sehen kann.«
    »Ja«, sagte sie. »Kenn' ich.«
    »Aber auch das war noch nicht alles«, sagte ich. »Ich war einen Schritt davor, in das Geschehen selbst verwickelt zu werden. Aber nicht, weil ich mich dafür interessierte oder dachte, ich könnte die Welt verändern, sondern weil es dann völlig legal gewesen wäre, zu ... Dinge zu tun, die ich sonst nicht hätte tun können.«
    »Leute umbringen.«
    »Ja. Vielleicht ...«, sagte ich. »Das war übrigens genau das, was mir dauernd durch den Kopf ging. Krieg als Sport. Egal worum es ging, ich wollte bloß auf Seiten der Guten sein, aber am Ende spielte auch das keine Rolle mehr. Kämpfen in Israel, kämpfen in El Salvador, was soll's.« Ich zuckte mit den Achseln. »Im Namen irgendeiner Sache, such dir eine aus.«
    Sie nickte wieder ganz langsam, als denke sie darüber nach.
    »Wenn du so alt bist wie ich, und jemand muß dir ein M-16 direkt ins Gesicht halten, damit du begreifst, was der Tod wirklich ist, damit endlich der Groschen fällt, dann mußt du, ehrlich gesagt, ein ziemlicher Dummkopf sein.«
    Ich machte eine kurze Pause.
    »Jedenfalls fing ich an, darüber nachzudenken. Warum suchte ich das alles, den Tod, den Krieg, das Leiden und die Entbehrungen? Warum ergötzte ich mich an der Wirklichkeit wie andere Leute an einem Film?«
    »Aber das Berichten darüber, die Geschichte aufzuschreiben ...«
    »Ach was«, winkte ich ab. »Ich war ein Anfänger. Es gibt einen Haufen andere.«
    »Und was hast du daraus geschlossen?«
    »Daß ich ein ziemlich destruktiver Mensch bin. Daß ich irgendwie verflucht bin.«
    Ich trank einen großen Schluck Scotch.
    »Daß ich ein verdammter Idiot bin«, sagte ich. »Das schloß ich daraus.«
    »Und die Leute, die dort kämpften? Nicht die Soldaten oder die Söldner. Ich meine die Leute, die den Krieg für gerecht halten. Sind das verdammte Idioten?« Sie stellte die Frage sehr höflich und wirklich interessiert.
    »Ich weiß es nicht. In gewisser Weise spielte es keine Rolle mehr, ob sie Idioten waren oder nicht. Tatsache ist, daß mein Tod für sie nichts verändert hätte. Er wäre umsonst gewesen, ein Einzelfall, der Preis für meine sportliche Leidenschaft.«
    Sie nickte bedächtig. Ihr Blick wanderte an mir vorbei über das Deck zu dem fernen Ufer des Stroms, dem flachen, olivbraunen Sumpfland, dem sich schnell bewegenden Panorama der vorübergleitenden Wolken.
    »War das, nachdem du Beirut: Twenty-four Hours gemacht
    hast?«
    »Ja. Und ein Twenty-four Hours in El Salvador hat es nie gegeben.«
    Als sie sich mir wieder zuwandte, war sie so ernst, wie ich sie noch nie gesehen hatte, und vollständig bei der Sache.
    »Nach allem, was du gesehen hast«, sagte sie, »dem wirklichen Leiden, der echten Gewalt, wie konntest du da die Inszenierungen bei Martin ertragen?« Sie zögerte. »Wie hältst du die Rituale des Clubs aus? Ich meine, wie hast du diesen Wechsel vollzogen?«
    »Machst du dich über mich lustig?« fragte ich und nahm einen Schluck Scotch. » Du fragst mich das?«
    Sie sah mich ehrlich verblüfft an. »Du hast gesehen, wie Leute tatsächlich gequält worden sind«, sagte sie. Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. »Leute, denen wirklich Gewalt angetan wurde. Wie

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