Exit to Eden
kannst du da noch billigen, was wir tun? Warum erscheinen wir dir nicht obszön, dekadent? Der Typ, der auf den Lastwagen gezerrt wurde ...«
»Ich dachte, ich hätte deine Frage verstanden«, sagte ich. »Trotzdem bin ich verwundert.« Ich nahm noch einen kleinen Schluck von meinem Drink und überlegte, wie ich die Antwort angehen sollte. Ob ich langsam vorgehen oder direkt damit herausrücken sollte.
»Glaubst du, daß die Leute auf diesem Planeten, die Krieg führen, über uns stehen?« fragte ich.
»Ich weiß nicht, was du damit meinst.«
»Glaubst du, daß Leute, die wirkliche Gewalt anwenden, sei es defensiv oder aggressiv, besser sind als jene, die die Gewalt symbolisch ausleben?«
»Nein, natürlich nicht. Denk doch nur an die, die da reingerissen werden, die dem Leiden nicht entkommen können ...«
»Ja, ich weiß. Sie werden in etwas reingerissen, das so grausig und destruktiv ist wie vor zweitausend Jahren, als noch mit Schwertern und Speeren gekämpft wurde. Und es unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, was die Menschen vor fünftausend Jahren mit Steinen und Keulen gemacht haben. Warum soll also im Vergleich zu etwas so Primitivem, so Häßlichem, so Entsetzlichem das, was wir im Club tun, obszön sein?«
Sie verstand mich, ich wußte es, aber sie gab es nicht zu.
»Mir scheint, es ist umgekehrt«, sagte ich. »Ich bin dort gewesen, und ich versichere dir, es ist umgekehrt. Es ist nichts Obszönes daran, wenn zwei Menschen im Schlafzimmer versuchen, durch sadomasochistischen Sex die symbolische Befreiung von ihren sexuellen Aggressionen zu finden. Obszön sind jene, die tatsächlich vergewaltigen, tatsächlich töten, tatsächlich ganze Dörfer bombardieren, Busse voll unschuldiger Menschen in die Luft jagen, tatsächlich und unwiderruflich zerstören.«
Ich konnte ihre Gedanken lesen, während ich ihr Gesicht betrachtete.
»Du kennst den Unterschied zwischen tatsächlich und symbolisch«, sagte ich. »Du weißt, daß das, was wir im Club machen, ein Spiel ist. Und du weißt, daß der Ursprung dieses Spiels tief, tief in unserem Innersten, in einem Gewirr chemischer und zerebraler Prozesse zu suchen ist und sich einer kompetentenAnalyse entzieht.«
Sie nickte.
»Nun, das gleiche gilt meiner Meinung nach für den Ursprung des menschlichen Impulses, Krieg zu führen. Wenn du von der jeweiligen Politik abstrahierst, vom >Wer-hat-wem-was- zuerst-angetan<, dann hast du das gleiche Mysterium, den gleichen Drang, die gleiche Komplexität, wie sie der sexuellen Aggression zugrunde liegen. Meines Erachtens ist das alles sexuelle Aggression.«
Wieder gab sie keine Antwort. Es war fast, als würde sie laut zuhören.
»Nein«, fuhr ich fort, »der Club ist nicht obszön, verglichen mit dem, was ich gesehen habe. Ich dachte, du, mehr als irgendwer sonst, wüßtest das.«
Sie schaute über den Fluß.
»So ist es«, sagte sie schließlich. »Aber ich war mir nicht sicher, ob jemand, der in Beirut und El Salvador gewesen ist, das auch so sieht.«
»Vielleicht kann jemand, der in einem wirklichen Krieg gelitten hat, der über viele Jahre geschunden worden ist, mit unseren Ritualen nichts anfangen. Sein Leben ist anders als alles, was du oder ich je kennengelernt haben.
Ihre Augen schienen sich ein wenig aufzuhellen, aber was immer sie empfand, steckte tief in ihrem Inneren. »Du bist in den Club gekommen, um es symbolisch zu verarbeiten«, sagte sie.
»Natürlich. Um es zu erforschen und zu verarbeiten, ohne daß mich jemand abknallt oder ich jemanden abknalle. Du kennst das. Du mußt das kennen. Wie hättest du diese komplizierte Insel erschaffen können, wenn du es nicht kennen würdest?«
»Ich habe dir gesagt, ich glaube daran, aber ich habe nie anders gelebt«, sagte sie. »Mein Leben ist eine selbsterzeugte Berufung. Und es gibt Zeiten, wo ich glaube, daß ich alles allein aus Trotz gemacht habe.«
Gestern abend hast du was anderes gesagt. Du weißt ebensogut wie ich, daß, wenn wir unsere gewalttätigen Gefühle innerhalb von Schlafzimmerwänden ausleben können, wo niemandem wirkliches Leid zugefügt wird - niemand wirklich Angst hat -, wir am Ende vielleicht in der Lage sein werden, die Welt zu retten.«
»Die Welt retten! Das ist ein hohes Ziel«, sagte sie.
»Nun, jedenfalls unsere eigenen Seelen. Aber es gibt heute keinen anderen Weg mehr, um die Welt zu retten, außer Arenen zu schaffen, in denen man symbolisch die Triebe ausleben kann, die wir in der Vergangenheit wörtlich
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