Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Schlägen, der mich zusammenzucken ließ.
    »Schau zu Boden, Elliott«, befahl der Treiber. »Die Hände in den Nacken!« Er drückte die Fettkreide auf meine Brust, und ich versuchte, nicht mit den Zähnen zu knirschen, als er noch mal das gleiche schrieb und wieder deutlich buchstabierte. Ich konnte mir nicht erklären, warum so eine Kleinigkeit so erniedrigend war, und das Gefühl der Reue in mir wandelte sich erneut in Panik.
    »Warum nicht an den Auspeitschpfahl?« fragte einer der anderen, »das würde ihn für die Empfangshalle unheimlich auflockern.«
    Hört mal Jungs, ich bin doch nur der Neue auf dem Spielplatz.
    »Nein, wir halten ihn frisch für den Meister der Postulanten«, sagte der erste, »und für was immer der Meister beschließt.«
    Er hob mein Kinn mit der Kreidespitze.
    »Versuch nichts anderes mehr, Blauauge«, sagte er. »Du ahnst gar nicht, in welchem Schlamassel du sitzt.«
    Während ich zur Seite geschoben und angewiesen wurde, still zu stehen, warf ich einen Blick auf die »braven Jungs und Mädchen«.
    Der rothaarige Sklave promenierte gerade mit all der angemessenen Demut und erntete ein Pfeifkonzert. Die kleine Blonde starrte mich an, als wäre ich ein Held oder so was. Die Hölle.
    Was war mit mir los, daß ich dieses Kasperletheater spielen ßte? Es war alles in Ordnung gewesen, bis ich sie anschauen ßte, bis ich lächeln ßte.
    Und jetzt stand ich mit dem ganzen System quer, von dem ich aufgenommen werden wollte; bekämpfte es, statt mich ihm zu ergeben, genauso, wie ich draußen alles bekämpfte.
    Du bist reif dafür, Elliott. Du kannst mit dem, was da passiert, umgehen. Aber ist es das, was du wirklich willst?
    Ja, verdammt noch mal, Martin. Und irgendwie ließ dieser kleine Fehltritt die Disziplin und die Demütigung noch wirklicher erscheinen als zuvor.

LISA
     
    Alles wie gehabt
     
    Als ich eintrat, stand Richard am Fenster seines Büros, die Sonnenbrille in das rotblonde Haar geschoben und offensichtlich dabei, die neuen Sklaven unten im Garten zu beobachten.
    Er richtete sich sofort auf und kam lächelnd in seiner langsamen, graziösen Art auf mich zu, die Daumen in die Potaschen gehakt. Er hatte tiefliegende Augen, ziemlich buschige Brauen und diese tiefen Furchen in seinem gebräunten Gesicht, die Texaner aufgrund der trockenen Hitze dort schon sehr jung bekommen und niemals zu verlieren scheinen. Ich konnte ihn nie anschauen, ohne an seinen Spitznamen im Club zu denken, Richard, der Wolf.
    »Lisa, mein Schatz«, sagte er. »Wir haben dich vermißt. Frag nicht, wie sehr, sonst machst du dir nur Sorgen. Gib mir einen Kuß.«
    Mit vierundzwanzig war er der jüngste Hauptverwalter und Meister der Postulanten, den wir je hatten, und er war einer der größten Trainer im Club.
    Ich bin der Meinung, daß körperliche Größe keine Rolle spielt, daß alles am Verhalten liegt, aber wenn man das Verhalten Richards hat, dann wird Größe einfach teuflisch.
    Er handhabte die Sklaven mühelos, peitschte sie, rüttelte sie auf, und alle seine Bewegungen waren dabei so langsam, so träge, daß seine Kraft sie immer wieder verblüffte. Und er hatte trotz seiner tiefliegenden, oft zusammengekniffenen Augen einen eigenartig entwaffnenden Ausdruck von Offenheit und Neugier und unmittelbarer Zuneigung zu jedem Sklaven, den er sah.
    Er war der perfekte Postulantenmeister, weil er die Dinge ausgesprochen gut erklären konnte. Als Verwalter war er einfach der beste. Er war immer amüsiert über das, was er zu tun hatte, und hatte das Wesen des Clubs total verinnerlicht. Er kümmerte sich fast krankhaft um die Sklaven, die direkt unter seinem Befehl standen. Er »glaubte« an den Club, eine offenkundige Tatsache, die mich jetzt mit erschreckender Frische traf und mich leicht verwirrte, als ich meinen Arm um ihn legte und ihm die Lippen auf die Wange drückte.
    »Ich hab' euch auch vermißt, alle miteinander«, sagte ich. Meine Stimme klang fremd. Ich war noch nicht wieder im Einklang mit mir selbst.
    »Kleine Problemchen, meine Schöne«, sagte er.
    »Ausgerechnet jetzt, wo sie fast fertig sind?« Ich meinte die Postulanten. »Kann das nicht warten?«
    »Ich glaube, du kannst es schnell erledigen, aber es braucht dein Fingerspitzengefühl.« Er glitt hinter seinen Schreibtisch und schob einen Ordner zu mir. »Neues Mitglied. Jerry McAllister. Voller Service für das ganze Jahr. Empfohlen von einem halben Dutzend Mitgliedern, die alle hier sind und mit ihm reden und ihm sagen, was er tun soll,

Weitere Kostenlose Bücher