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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Beste ist die Geschichte, er sei mit Drogen vergiftet worden«, sagte er, »und nackt im Orient-Expreß nach Norden befördert worden. Im Orient-Expreß! Die große Frage ist jetzt, schicke ich ihn für drei Tage zur Strafe nach unten oder knöpfe ich ihn mir selber vor?«
    »Knöpf ihn dir vor. Wenn er solche Angst hat, scheint es mir wichtig, daß du das machst. Bestraf ihn für die Lügen, aber, du weißt schon, keine harte Arbeit. Sonst ist er verloren.«
    »Genau das dachte ich auch. Aber bestraft soll er werden.«
    »Und gib mir die Bänder. Die Geschichte will ich mir anhören.« Ich legte auf.
    Ein fabelhaftes Drehbuch flimmerte mir durch den Kopf, etwas so Ausgeklügeltes wie eine Fahrt durch einen Vergnügungspark. Wir sollten einen Zug auf dem Gelände haben, mit einer großen, altmodischen Dampflokomotive und verschnörkelten alten Eisenbahnwagen - Sklaven damit an die verschiedenen Orte der Anlage bringen, sie auf dem Bahnsteig an Mitglieder versteigern lassen, Sklaven für kleine Treffen in den Schlafwagen des Zuges bereitstellen.
    Nicht der Orient-Expreß, sondern der Eden-Expreß. Das gefiel mir. Ich sah die vergoldete Zierschrift schon vor mir: Eden-Expreß . Ja, alles ganz edwardianisch. Und falls wir größer wurden und die ganze Insel einnähmen, brauchten wir tatsächlich ein Transportmittel. Wir könnten Kilometer von Schienen legen ...
    »Na, du wirst ja richtig sanft«, sagte Richard plötzlich.
    Mir kam es jedenfalls sehr plötzlich vor. Ich hatte mich gerade in einem weißen Kleid in den Eden-Expreß steigen sehen.
    »Im vergangenen Jahr hättest du den Jungen zwei Wochen lang hart arbeiten lassen.«
    »Meinst du?« Ich trug einen weißen Hut und eine kleine, weiße Handtasche, gekleidet ungefähr wie das Mädchen, an das sich der alte Mann in Citizen Kane erinnert, das Mädchen, das er viele Jahre zuvor auf der Fahre gesehen und niemals vergessen hatte. »Sie trug ein weißes Kleid « War es das, was er sagte? Süßer Wahn zu denken, ß mich jemand so in Erinnerung be« Irgendwo in meinem Gepäck hatte ich ein neues, weißes Kleid und einen weißen Strohhut mit langen Bändern ...
    » Ich meine natürlich, daß deine Entscheidung richtig war«, sagte Richard.
    Ich schaute ihn an und versuchte, ihm zuzuhören.
    »So oder so wird es wirken«, fuhr er fort. »Das ist das Tolle. Solange es Bestimmtheit und Führung gibt, wirkt alles.«
    »Der Junge hat Schiß«, sagte ich Er redete von dem Jungen, oder?
    »Wie spät ist es?« fragte ich.
    »In fünfzehn Minuten sind sie unten in der Halle. Und sag mir nicht, auf wen du ein Auge geworfen hast. Laß mich raten.«
    »Ich will's nicht hören«, sagte ich und zwang mich zu einem kleinen Lächeln.
    Richard hatte immer recht. Er konnte die Kartei durchsehen und die Sklaven ihren zukünftigen Trainern zuordnen, wußte unfehlbar, wer wen auswählen würde. Die anderen mußten sich um die Sklaven raufen, ich war zuerst dran.
    »Ein gewisser blonder Herr namens Elliott Slater«, neckte er.
    »Wie machst du das?« Mein Gesicht wurde warm. Ich mußte rot geworden sein. Lächerlich, weil wir dieses Spiel schon tausendmal gespielt hatten.
    »Elliott Slater ist ein zäher Bursche«, sagte er. »Einer, der vor nichts zurückschreckt. Und außerdem ist er schön.«
    »Schön sind sie alle«, sagte ich, weil ich nichts zugeben wollte. »Und dieses Mädchen aus L.A., Kitty Kantwell?«
    »Scott hat sich schon in sie verliebt. Ich wette, du wählst Elliott Slater.«
    Scott war der Trainer unter den Trainern. Er, Richard und ich bildeten das, was die anderen die »heilige Dreieinigkeit« nannten, und wir waren es, die den Club tatsächlich leiteten.
    »Du meinst, ich sollte Scott zuliebe . . .«, sagte ich. Scott war ein Künstler von einem Trainer. Und wen immer er auswählte, binnen kürzester Zeit würde er im Unterrichtszimmer der Trainer als Vorbild vorgeführt werden. Aufregende Erfahrung für einen Sklaven.
    »Unsinn«, lachte Richard. »Scott ist genauso verliebt in Slater. Aber er hat ihn sozusagen aufgegeben, weil er dich kennt. Und Slater kommt von deinem Mentor, Martin Halifax aus San Francisco. Wie hat Martin es ausgedrückt? >Liest russische Romane von vorn bis hintern?«
    »Okay, Richard!« sagte ich und versuchte, beiläufig zu klingen, »Martin ist romantisch. Aber wir haben hier Wesen aus Fleisch und Blut.«
    Das Gespräch bereitete rmr Unbehagen. Wieder das verzweigte Gefühl, daß etwas fürchterlich Wichtiges verlorenginge. Echte Kopfschmerzen.

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