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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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für mich? Du weißt doch, wie ich bin.«
    Sie schniefte und rieb sich die Augen.
    »Seit ich an dem Fall bin, fühle ich mich wie in einem Labyrinth«, sagte ich.
    »Ich doch auch. Glaubst du, es ist einfach, in diese Besprechungen zu gehen und zu tun, als sei man ihr gehorsamer Diener? Plumb denkt, seine Hand sei dazu erschaffen, meine Knie zu betatschen.« Sie verzog das Gesicht und schob ihren Rocksaum tiefer. »Glaubst du, es ist einfach, mit anderen Ärzten durch die Halle zu gehen und zu hören, was sie über Bill sagen, wenn er uns begegnet? Ich weiß, er entspricht nicht gerade deiner Vorstellung von einem netten Kerl, aber du kennst ihn nicht. Er ist ein guter Mensch. Er hat auch mir geholfen.«
    Sie schaute aus dem Seitenfenster. »Ich hatte ein Problem … die Einzelheiten gehen dich nichts an. - Ach, zum Teufel, warum nicht? Ich hatte ein Alkoholproblem, okay?«
    »Okay.«
    Sie drehte sich abrupt zu mir. »Du bist nicht überrascht? Hast du es mir angesehen?«
    »Nein, aber es passiert den nettesten Leuten.«
    »Ich habe es nie gezeigt?«
    »Ich kenne dich nicht gerade als die lallende Säuferin.«
    »Nein«, lachte sie, »ich bin eher von der komatösen Sorte, genau wie meine Mutter - die guten alten Gene.«
    Sie lachte wieder und umklammerte das Lenkrad.
    »Dagegen mein Vater: das Musterbeispiel des aggressiven Säufers. Und mein Bruder Tom war der vornehme Trinker: witzig und charmant. Alle liebten es, wenn er ein paar zuviel intus hatte. Er war Industriedesigner, viel cleverer als ich, viel kreativer. Vor zwei Jahren starb er an Leberzirrhose. Er war achtunddreißig.«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich wartete ein bißchen mit meinem Alkoholismus. Ich wollte immer alles anders machen als der Rest der Familie. Es war erst während meiner Assistenzzeit, daß ich beschloß, der Familientradition zu folgen. Ich soff an meinen freien Tagen. Ich war wirklich Spitze darin, Alex. Ich hatte den Dreh raus, genau zum richtigen Zeitpunkt wieder intelligent und adrett auszusehen. Doch irgendwann wurde ich nachlässig. Meine Zeitplanung kam durcheinander. Das Timing ist immer ein Problem, wenn du ein heimlicher Säufer bist. Vor ein paar Jahren hat man mich dann wegen Trunkenheit am Steuer drangekriegt. Ich hatte einen Unfall verschuldet, Alex. Wenn ich mir vorstelle, daß jemand hätte zu Schaden oder ums Leben kommen können …«
    Sie weinte wieder. Dann wischte sie sich die Augen so heftig, daß ich dachte, sie könnte sich verletzen.
    »Ach, Mist«, sagte sie, »immer dieses Selbstmitleid. Meine Kumpels bei den Anonymen Alkoholikern sagten immer, ich solle es endlich aufgeben. Ein Jahr habe ich mich mit denen getroffen. Dann habe ich damit aufgehört. Ich hatte keine Zeit, und schließlich ging es mir ja gut, oder? Dann, voriges Jahr, hatte ich eine Menge Streß und fing wieder an. Du kennst vielleicht die kleinen Fläschchen, die man im Flugzeug bekommt. Die habe ich gesammelt, auf dem Rückflug von Konferenzen. Nur ein Schlückchen vor dem Schlafengehen. Dann ein paar mehr. Am Ende fing ich an, die Dinger zur Arbeit mitzunehmen. Für den berühmten Augenblick der Ruhe am Ende des Arbeitstages. Aber ich war vorsichtig. Die leeren Flaschen habe ich immer wieder eingepackt und mit nach Hause genommen, um keine Spuren zu hinterlassen. Du siehst, auch ich kann mein Geheimnis wahren. Du hast doch bisher nichts davon gewußt, oder? O Scheiße!«
    Sie schlug auf das Lenkrad und stützte den Kopf darauf.
    »Eines Nachts, als es wirklich dicke kam, kranke Kinder in allen Ecken, haute ich ein halbes Dutzend dieser Fläschchen weg und schlief an meinem Schreibtisch ein. Bill fand mich um drei Uhr früh, als er seine Runde machte. Ich hatte meine ganzen Patientenkarten vollgekotzt. Als ich ihn vor mir stehen sah, dachte ich, ich würde sterben. Aber er hielt mich fest und machte mich sauber und brachte mich nach Hause - er kümmerte sich um mich, Alex. Das hatte noch nie jemand für mich getan. Es ist nur wegen ihm, daß ich mich seitdem zusammengenommen habe. Hast du bemerkt, wieviel Gewicht ich verloren habe, wie ich mich kleide, und meine Frisur?«
    »Du siehst großartig aus.«
    »Es ist mir endlich einmal wichtig, wie ich aussehe. Bill kaufte mir auch die Kaffeemaschine. Er versteht mich, denn seine Familie war auch … sein Vater war ein wirklich schlimmer Säufer. Er trank jedes Wochenende, aber er schaffte es trotzdem, fünfundzwanzig Jahre in derselben Fabrik zu arbeiten. Die Fabrik wurde dann übernommen und

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