Exit
Behandlungsfläche zu Verwaltungsbüros machten. Und jetzt will er sich mit mir unterhalten - wie ich mich darauf freue.«
»Kann er dir was anhaben?«
»Der kann jedem was anhaben, und die allgemeine Kinderabteilung steht ganz oben auf seiner Streichliste. Wir haben keine Supertechnologie und machen keine spektakulären Operationen, die Schlagzeilen einbringen. Die meisten unserer Patienten sind ambulant. Das heißt, unsere Honorarsätze sind im Schnitt die geringsten im ganzen Krankenhaus - besonders seitdem die Psychologen weg sind«, fügte sie lächelnd hinzu.
»Auch die High-Tech-Leute scheinen nicht immun zu sein«, bemerkte ich. »Heute morgen, auf dem Weg zum Lift, kam ich an der ehemaligen Nuklearmedizin vorbei. Dort hängt jetzt ein Schild mit der Aufschrift Gemeinschaftseinrichtungen‹.«
»Das ist auch eine von Plumbs Errungenschaften. Um die Nuklearleute brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die sind in den zweiten Stock gezogen und haben dort die gleichen Quadratmeter bekommen, die sie vorher hatten, nur daß nun die Patienten sie manchmal nicht mehr finden können. Es sind andere Abteilungen, die wirklich Probleme haben: die Nierenspezialisten, die Rheumatologie und deine alten Freunde aus der Krebstherapie. Die hat man in Wohnanhänger auf der anderen Straßenseite gesteckt.«
»Ist das dein Ernst?«
»Du hast dich nicht verhört.«
»Aber das sind doch große Abteilungen, Steph. Wieso lassen die sich das gefallen?«
»Sie haben keine Wahl, Alex. Sie haben ihre Rechte abgetreten. Sie sollten ursprünglich im alten Hochhaus der lutherischen Klinik untergebracht werden, das vor ein paar Jahren gekauft wurde, als die Lutheraner noch schlimmere Haushaltsprobleme hatten als wir. Der Vorstand versprach damals allen, die bereit waren umzuziehen, phantastische Zimmerfluchten. Die Abteilungen, die sich dazu bereit erklärten, wurden dann übergangsweise auf Wohnwagen verteilt und ihre alten Räume an andere vergeben. Dann entdeckten sie - das heißt, Plumb entdeckte es -, daß zwar genug Geld da war, eine Anzahlung auf das Gebäude zu leisten und mit den Umbauten anzufangen, man aber versäumt hatte, genügend Mittel für die Fertigstellung und für den Unterhalt zu sichern. Es geht um die Kleinigkeit von dreizehn Millionen Dollar.«
»Wohnanhänger …« Ich schüttelte den Kopf. »Melendez-Lynch muß getobt haben.«
»Melendez-Lynch hat adios gesagt, schon vor einem Jahr.«
»Du machst Witze. Raoul hat hier gelebt!«
»Das war einmal. Jetzt ist er in Miami. Irgendein Krankenhaus bot ihm eine Chefarztposition an, und er akzeptierte. Soweit ich gehört habe, hat er jetzt das dreifache Gehalt und die Hälfte der Kopfschmerzen, die er hier hatte.«
»Ich bin wirklich lange fortgewesen«, sagte ich. »Raoul verfügte über soviel Forschungsgelder. Wie konnten sie ihn nur gehen lassen?«
»Forschung wollen die Leute hier gar nicht. Die Infrastruktur ist ihnen zu teuer. Es hat sich alles geändert, Alex.«
»Wer ist der andere Typ?« fragte ich. »Der im grauen Anzug.«
»Ach, der.« Sie runzelte die Stirn. »Das ist Hünengart - Presley Hünengart, unser Sicherheitschef.«
»Er sieht aus wie ein Schuldeneintreiber. Stimmt der Eindruck?«
Sie lachte. »Das wäre gar nicht mal so schlecht, bei den vielen unbezahlten Rechnungen. Aber nein, er macht eigentlich gar nichts, außer hinter Plumb herzulaufen und zu schnüffeln. Manchen hier ist er unheimlich.«
»Unheimlich? Inwiefern?«
Sie dachte einen Moment nach. »Es ist die Art, wie er sich den Leuten gegenüber verhält. Er erscheint, wenn man ihn nicht erwartet. Er lauert hinter Ecken. Wenn man aus einem Krankenzimmer kommt, steht er auf einmal vor einem.«
»Klingt nett.«
»Ausgesprochen. Aber was kann ich als Mädel schon tun?
Die Sicherheitsabteilung zu Hilfe rufen?«
Ich fuhr allein ins Erdgeschoß. Die Tür zum Sicherheitsbüro stand offen. Ich ließ fünf Minuten peinliche Befragung durch einen uniformierten Aufpasser über mich ergehen und verdiente mir schließlich das Recht auf meine Plakette mit Farbfoto.
Auf dem Foto sah ich aus wie ein Verbrecher. Ich klemmte den Ausweis an mein Revers und nahm die Treppe zum Keller. Dort war die Bibliothek, wo ich Stephanies Literaturliste durchgehen wollte.
Die Bibliothek war abgeschlossen. Eine undatierte Notiz an der Tür wies auf die neuen Öffnungszeiten hin: montags bis mittwochs, zwischen drei und fünf Uhr nachmittags.
Ich ging zum Lesesaal nebenan. Die Tür war offen, doch der
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