Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Fach gewählt. Ist dir sonst etwas aufgefallen?«
    »Vielleicht ist sie mit dem Sprechen ein wenig zurück, aber von einem wirklichen Krankheitsbild würde ich noch nicht reden. Wenn es in den nächsten sechs Monaten nicht besser wird, schlage ich vor, sie einem vollen Testprogramm zu unterziehen, einschließlich Neuropsychologie.«
    Stephanie hatte begonnen, ihren Schreibtisch aufzuräumen.
    Nun wirbelte sie herum und schaute mich an.
    »Sechs Monate… wenn sie dann noch lebt.«

6
    Das Wartezimmer war voller ungeduldiger Menschen. Mehrere Mütter sahen Stephanie hoffnungsvoll an, als sie mich hinausbegleitete. »Es dauert nicht mehr lange«, sagte sie lächelnd in die Runde, während wir in die Halle hinausgingen.
    Eine Gruppe von Männern - drei Ärzte in weißen Kitteln und ein Managertyp in grauem Anzug - kam auf uns zu. Ihr Anführer, einer von den Kittelträgern, sah uns und rief: »Dr. Eves!«
    Stephanie zog eine Grimasse. »Das hat mir gerade noch gefehlt.« Sie blieb stehen und wartete.
    Die Mediziner waren alle über fünfzig und hatten das wohlgenährte Äußere von etablierten Ärzten mit gutgehenden Praxen.
    Der Herr im grauen Anzug war etwas jünger, Mitte Dreißig, und ein Klotz von einem Mann, mit massigen, runden Schultern und einem fetten Hals unter einem breiten, eckigen Kopf. Seine Haare waren kurz und von undefinierbarer Farbe, seine Gesichtszüge flach, bis auf die Nase, die einmal gebrochen und nicht ordentlich gerichtet war. Auch ein schmaler, dünner Schnurrbart vermochte nicht, dem Gesicht irgendwelche Tiefe zu verleihen. Er sah aus wie ein ehemaliger College-Fußballer, der direkt vom Sportplatz in die Verwaltungsetage gestürmt war. Er stand hinter den anderen, weit genug entfernt, daß ich seine Ausweisplakette nicht lesen konnte.
    Auch der Anführer war sehr groß und massiv, mit breiten, dünnen Lippen und schütterem silbernen Haar, das sich an den Schläfen lockte. Das schwere, vorgeschobene Kinn und die alerten braunen Augen gaben ihm einen Ausdruck von Tatkraft. Seine Haut glühte rosa, als käme er gerade aus der Sauna.
    Die beiden Ärzte an seiner Seite waren mittelgroße Brillenträger, der eine grauhaarig, der andere mit einem grauen Toupet.
    »Dr. Eves, wie sieht es aus an der Front?« fragte der mit dem Kinn mit tiefer, belegter Stimme.
    »Frontmäßig, danke«, antwortete Stephanie.
    Er sah mich an. Seine Augenbrauengymnastik war eindrucksvoll. Stephanie stellte mich vor.
    »Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen. Ich bin George Plumb.«
    »Freut mich, Sie kennenzulernen, Dr. Plumb.«
    Er hatte einen Händedruck wie ein Schraubstock. »Delaware, Delaware«, überlegte er, »zu welcher Abteilung gehören Sie?«
    »Ich bin Psychologe.«
    »Aha.«
    »Er gehört zur Kinderabteilung«, erklärte Stephanie. »Er steht uns im Fall Cassie Jones zur Seite. Er hilft der Familie, mit der Belastung zurechtzukommen.«
    »Aha, sehr gut. Wir müssen uns mal unterhalten, Stephanie«, sagte er jovial und packte sie am Arm. »Ich werde meinem Mädel sagen, sie soll Ihres anrufen und einen Termin ausmachen.«
    »Ich habe kein Mädel, George. Wir teilen uns eine weibli che Verwaltungskraft unter fünf Ärzten.« Stephanie entzog sich ihm und wich einen Schritt zurück.
    Die grauen Zwillinge schauten sie an, als sei sie ein Embryo im Reagenzglas.
    Plumb lächelte ungerührt. »Also gut, dann wird eben mein Mädel Ihre Kraft anrufen. Bis dann, Stephanie.«
    Die Prozession zog ein paar Meter weiter, bis Plumb vor einer Wand stehenblieb. Er betrachtete sie von oben bis unten, wie ein Anstreicher, nachdem man ihn um einen Kostenvoranschlag gebeten hat.
    »Ach, Jungs, was wollt ihr denn nun schon wieder rausreißen?« seufzte Stephanie.
    Schließlich ging Plumb weiter und verschwand mit seiner Gruppe um die nächste Ecke.
    »Was war denn das für ein Verein?« fragte ich.
    »Das war Doktor Plumbs Verein. Er ist unser neuer Direktor.
    Einer von Papa Jones' Jungs: Sparen, sparen, sparen.«
    »Ärztlicher Direktor, meinst du?«
    Sie lachte. »Wegen des Kittels? Nein, er ist kein Arzt. Er hat Betriebswirtschaft oder so studiert. Aber er besteht darauf, Doktor genannt zu werden, und trägt immer einen weißen Kittel. Er erscheint ohne ersichtlichen Grund in ärztlichen Besprechungen, schleicht herum, mißt und macht sich Notizen. So wie er eben stehenblieb und die Wand anstarrte. Es würde mich nicht wundern, wenn bald die Handwerker auftauchten und drei Büros in sechs verwandelten oder

Weitere Kostenlose Bücher