Exit
in der Cafeteria?« schlug ich vor. »Vicki kann auf Cassie aufpassen.«
»Nein, tut mir leid, Dr. Delaware, aber ich lasse Cassie nie allein.«
»Nie?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht hier. Ich weiß, das klingt verrückt, aber ich kann es nicht. Man hört so viele… Geschichten.«
»Was für Geschichten?«
»Unfälle - irgend jemand erwischt das falsche Medikament. Nicht, daß ich mir deswegen Sorgen machen müßte, das ist ein erstklassiges Krankenhaus hier, aber ich will trotzdem dabeisein. Tut mir leid.«
»Das kann ich gut verstehen.«
»Ich weiß, es sieht aus, als ginge es mehr um mich als um sie.« Sie beugte sich hinüber und küßte Cassie. Cassie schaute mich fragend an.
»Vielleicht bemuttere ich sie zu sehr.«
»Nach allem, was Sie durchgemacht haben …«
»Danke, daß Sie das sagen.«
»Die Belastung muß erheblich sein«, sagte ich. »Es ist eine Sache, in einem Krankenhaus zu arbeiten, eine ganz andere, selbst Pflege in Anspruch zu nehmen …«
Sie schien etwas aus der Fassung. »Wie meinen Sie das?«
»Waren Sie nicht mal Beatmungshelferin? Kennen Sie das hier nicht schon alles?«
»Das ist schon so lang her. Ich hab auch nie den Abschluß gemacht.«
»Haben Sie die Lust verloren?«
Sie nahm den Stapel Karten in die Hand und klopfte sich damit aufs Knie. »Ohne meine Tante hätte ich nie damit angefangen. Sie war Oberschwester und meinte, jede Frau sollte etwas lernen, auch wenn sie es nie anwenden würde, und daß ich mir einen Beruf aussuchen sollte, nach dem immer Bedarf sein würde, zum Beispiel im Gesundheitswesen. Und solange wir die Luft so verschmutzten und die Leute nicht aufhörten zu rauchen, würden Beatmungstechniker immer gebraucht werden.«
»Ihre Tante scheint feste Ansichten zu haben.«
Sie lächelte. »Das kann man wohl sagen. Aber jetzt ist sie tot.« Sie schaute zu Boden. »Sie war ein phantastischer Mensch. Meine Eltern starben, als ich noch klein war, und sie hat mich praktisch allein großgezogen.«
»Aber sie hat Sie nicht ermutigt, in ihre Fußstapfen zu treten und auch Krankenschwester zu werden?«
»Sie hat mir sogar davon abgeraten. Sie sagte, es wäre zuviel Arbeit für zuwenig Geld, und nicht genug …«
Sie lächelte verlegen.
»Nicht genug Wertschätzung von den Ärzten?« beendete ich ihren Satz.
»Wie Sie sagten, Doktor, sie hatte eben über alles ihre eigene Ansicht.«
»Hat sie in einem Krankenhaus gearbeitet?«
»Nein, sie arbeitete fünfundzwanzig Jahre lang beim selben praktischen Arzt. Die beiden stritten die ganze Zeit wie ein altes Ehepaar. Aber er war ein sehr netter Mann - ein altmodischer Familienarzt, der öfters vergaß, die Rechnungen einzutreiben. Tante Harriet schimpfte deswegen immer mit ihm. Sie war eine richtige Pedantin, wahrscheinlich noch von ihrer Armeezeit. Sie hatte in Korea gedient, an der Front, und es bis zum Rang eines Hauptmanns gebracht.«
»Tatsächlich?«
»O ja. Deshalb habe ich es ja auch mit der Armee versucht. Mein Gott, wie lange das schon her ist!«
»Sie waren in der Armee?«
Sie lächelte, als hätte sie meine Überraschung erwartet.
»Ungewöhnlich für ein Mädchen, nicht wahr? Es war in meinem letzten Jahr in der High-School, am Berufsberatungstag. Ein Anwerber kam daher und ließ die Armee ganz attraktiv erscheinen mit ihren Ausbildungsmöglichkeiten und Stipendien. Tante Harriet dachte auch, es sei eine gute Idee, und damit war die Sache entschieden.«
»Und wie lange waren Sie dabei?«
»Nur ein paar Monate.« Sie spielte wieder mit ihrem Zopf.
»Ich wurde krank und mußte vorzeitig entlassen werden.«
»Schade. Es muß eine ernste Krankheit gewesen sein.«
Sie schaute mich an und errötete.
»Sie werden lachen: Es war eine Grippe - eine schlimme Grippe, die sich zur Lungenentzündung entwickelte. Eine akute Virusinfektion. Es war eine regelrechte Seuche in der Kaserne. Viele der Mädchen wurden krank. Als ich mich erholt hatte, sagten sie, meine Lungen seien möglicherweise geschädigt und sie müßten mich entlassen.« Sie zuckte die Schultern. »Das war's dann.«
»Waren Sie sehr enttäuscht?«
»Nein, eigentlich nicht. Es war am Ende besser so.«
»Wo waren Sie stationiert?«
»Fort Jackson, unten in South Carolina. Es war eine der wenigen Garnisonen, wo sie nur Frauen ausbildeten. Es war im Sommer - im Sommer denkt man eigentlich nicht an Lungenentzündung, aber der Virus kümmert sich wohl nicht um die Jahreszeit, nicht wahr?«
»Stimmt.«
»Es war unheimlich schwül.
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