Exit
Man duschte, und nach drei Sekunden fühlte man sich wieder schmutzig. Das war ich nicht gewohnt.«
»Sie sind in Kalifornien aufgewachsen?«
»In Kalifornien geboren und aufgewachsen«, sagte sie und schwenkte eine unsichtbare Flagge, »in Ventura. Meine Familie stammt ursprünglich aus Oklahoma und ist während des Goldrauschs hierher gezogen. Eine meiner Urgroßmütter hatte indianisches Blut in ihren Adern - daher mein Haar, sagte meine Tante immer.« Sie hielt ihren Zopf kurz hoch und ließ ihn wieder fallen. »Stimmt aber wahrscheinlich nicht«, sagte sie lächelnd. »Heutzutage möchte jeder Indianer sein. Scheint modern zu sein.« Sie schaute mich an. »Delaware … sind Sie vielleicht auch einer?«
»Die Familienlegende behauptet, daß ein Ururgroßvater zu einem Drittel Indianer war, und ich halte mich in der Tat für einen Mischling - von jedem etwas.«
»Auch nicht schlecht. Das macht Sie zum richtigen Amerikaner, nicht wahr?«
»Möglich«, stimmte ich lächelnd zu. »War Chip je bei der Armee?«
»Chip?« Der Gedanke schien sie zu amüsieren. »Nein.«
»Wie haben Sie sich überhaupt kennengelernt?«
»Im College. Nach der Ausbildung als Beatmungshelferin hab ich ein Jahr Soziologie studiert, und er war mein Lehrer.«
Sie blickte zu Cassie, die immer noch mit ihrem Haus beschäftigt war. »Wollen Sie nicht jetzt Ihre Techniken ausprobieren?«
»Es ist immer noch ein bißchen früh dafür«, sagte ich.
»Ich möchte, daß sie mir erst wirklich vertraut.«
»Ich glaube, das tut sie schon. Sie mag Ihre Bilder gern. Die, die sie nicht zerrissen hat, haben wir alle aufgehoben.«
Ich lächelte. »Es ist trotzdem besser, es langsam anzugehen. Und solange sie nicht behandelt wird, besteht kein Grund zur Eile.«
»Das stimmt allerdings. Es passiert überhaupt nichts. Wir könnten genausogut nach Hause fahren.«
»Möchten Sie denn nach Hause?«
»Natürlich. Aber was ich wirklich will, ist, daß Cassie gesund wird.« Cassie schaute zu uns herüber, und Cindy begann zu flüstern: »Die Anfälle haben mir wirklich angst gemacht, Dr. Delaware. Es war wie…« Sie schüttelte den Kopf.
»Wie was?«
»Wie in dem Film. Es ist furchtbar, so etwas zu sagen, aber es erinnerte mich an den Exorzisten ! Ich bin sicher, Dr. Eves wird am Ende herausfinden, was es ist, nicht wahr? Sie sagte, wir sollten noch wenigstens eine Nacht oder zwei zur Beobachtung bleiben. Wahrscheinlich ist das sowieso das beste, denn hier geht es Cassie immer gut.«
Ihre Augen wurden feucht.
»Wenn Sie wieder zu Hause sind, würde ich Sie gern einmal besuchen.«
»Sicher, gern…« Unausgesprochene Fragen standen ihr im Gesicht geschrieben.
»So könnte ich weiter an meiner Verbindung zu Cassie arbeiten«, erklärte ich. »Wenn Cassie sich außerhalb der Untersuchungen vollkommen wohl fühlt mit mir, dann werde ich eher in der Lage sein, ihr zu helfen, sollte sie mich einmal wirklich brauchen.«
»Natürlich. Danke, das ist sehr nett von Ihnen. Ich wußte gar nicht, daß Ärzte noch Hausbesuche machen.«
»Ab und zu kommt es noch vor.«
»Danke, daß Sie sich die Zeit nehmen.«
»Nach Ihrer Entlassung rufe ich Sie an, und wir machen einen Termin aus. Können Sie mir Ihre Adresse und Telefonnummer geben?«
Sie schrieb auf ein Blatt, das ich aus meinem Terminkalender gerissen hatte, und gab es mir zurück. Ich betrachtete ihre saubere, wohlgerundete Handschrift:
Cindy B. Jones 19547 Dunbar Court Valley Hills, Ca.
Ich steckte den Zettel in meine Tasche.
»Cindy B. - darf ich fragen, wofür das B steht?«
»Brooks - das ist mein Mädchenname. Es ist auch eine Art Reverenz an Tante Harriet, Harriet Brooks.«
Wir erhoben uns beide. »Haben Sie noch Fragen, bevor ich mich verabschiede?« fragte ich.
»Nein, ich glaube nicht.«
»Dann sehen wir uns morgen wieder.«
»Gut. Cassie? Dr. Delaware muß jetzt gehen. Willst du nicht auf Wiedersehen sagen?«
Ich verabschiedete mich von Cassie, und für einen Sekundenbruchteil berührte ein winziger Finger meinen Arm. Die Einstichnarben heilten gut.
»Tschüs, meine Süße.«
»Tschü!«
Ich rief Vicki, die am Stationsschalter stand, einen Gruß zu, den sie nicht erwiderte. Dann trug ich meinen Besuch in Cassies Patientenkarte ein und ging die Treppen hinunter zum Erdgeschoß. Ich fuhr aus dem Parkhaus und hielt an einer Tankstelle, wo ich von einem Münztelefon Milo anrief.
Die Leitung war besetzt. Ich versuchte es noch zweimal, dann wählte ich seine Privatnummer.
Nach dem
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