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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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zu tun haben kann, weil die Anfälle immer zu Hause geschahen.«
    »Bis auf den letzten. Aber du hast recht, wenn ich fair bin, darf ich sie eigentlich nicht verdächtigen. Wahrscheinlich bin ich nur so auf sie fixiert, weil sie mir so unsympathisch ist.«
    Stephanie schaute auf ihre Uhr. »Ich muß jetzt mit meinem Vormittagsprogramm beginnen; die Leute warten auf mich.«
    Ich verabschiedete mich und ging zu einem Münztelefon, um Milo eine Nachricht aufs Band zu sprechen: »Vicki Bottomley hat einen saufenden und vielleicht prügelnden Ehemann. Es könnte sein, daß das nichts zu bedeuten hat, doch würdest du bitte überprüfen, ob etwas in der Richtung in euren Akten ist?«
    Eine Schwester wie aus dem Lehrbuch… ein Münchhausen-Fall wie aus dem Lehrbuch… ein Krippentod wie aus dem Lehrbuch…
    Ein Krippentod, den der verstorbene Dr. Ashmore untersuchte, der Arzt ohne Patienten - bestimmt nur ein makabrer Zufall. In Krankenhäusern wird das Makabre zur Routine, wenn man genug Zeit dort verbringt.
    Ich beschloß, mir Chad Jones' Akte selbst einmal vorzunehmen.
    Das medizinische Archiv befand sich immer noch im Erdgeschoß. Ich wartete, bis zwei Sekretärinnen mit ihren Anforderungszetteln und ein Arzt mit einem Laptop abgefertigt waren, nur um belehrt zu werden, daß die Akten der verstorbenen Patienten in einer Extrakammer im Keller untergebracht waren, in der Abteilung NMA, was für »nicht mehr aktiv« stand.
    Ich machte mich auf den Weg, am Heizungsraum, am Möbellager, an einer Reihe von weiteren Lagerräumen und unbeschrifteten, verschlossenen Türen vorbei. Keine Menschenseele begegnete mir.
    Ich ging schneller und hatte es gerade geschafft, in einen gedankenlosen Trott zu fallen, als rechts neben mir eine Tür aufflog, so daß ich zur Seite springen mußte, um nicht umgeworfen zu werden.
    Es war eine der unbeschrifteten Türen. Zwei Männer in grauen Kitteln trugen einen Computer heraus, nur ein PC, aber von der größeren, teuren Sorte. Ihnen folgten keuchend noch zwei Männer mit einem weiteren Computer und einer mit hochgerollten Hemdsärmeln und schwellenden Bizepsen mit einem Laserdrucker vor dem Bauch. Ich konnte das Etikett lesen, das auf dem Drucker klebte: Dr. med. L. Ashmore.
    Dann sah ich Presley Hünengart in der Tür stehen, einen Stapel von Ausdrucken unter dem Arm. An ihm vorbei spähte ich ins Zimmer: kahle beige Wände, anthrazitgraue Metallmö bel und noch mehrere Computer, die für den Abtransport vorbereitet wurden.
    Hünengart starrte mich an. Ich erinnerte ihn, daß wir uns vor zwei Tagen in der allgemeinen Kinderabteilung getroffen hatten, und stellte mich noch einmal vor. Er antwortete mit einer äußerst sparsamen Kopfbewegung.
    »Eine furchtbare Geschichte, was mit Dr. Ashmore passiert ist«, versuchte ich das Gespräch in Gang zu bringen.
    Er nickte noch einmal, dann trat er zurück ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
    Während ich den Gang hinunterblickte und die Handlanger Ashmores Ausrüstung davontragen sah, mußte ich unwillkürlich an Grabräuber denken.

11
    Die Aktenleichenhalle war ein langer, schmaler Raum mit zimmerhohen, eng stehenden Eisenregalen. Jede Akte war mit einem dicken schwarzen Strich markiert.
    Hinter dem Schalter, der den Zugang blockierte, saß eine Frau mittleren Alters und asiatischen Aussehens. Die Zeitung, in der sie las - bunt und offenbar in ihrer Muttersprache gedruckt -, ließ sie sinken, sobald sie mich hereinkommen sah. Sie lächelte mich an, als wäre ich der Geldbriefträger.
    Ich fragte nach der Akte Charles Lyman Jones' IV. Der Name schien ihr nichts zu sagen. Sie griff unter ihre Theke und schob mir einen NMA-Anforderungsschein herüber. Ich füllte ihn aus und gab ihn ihr zurück. »Jones«, sagte sie lächelnd und zog sich zwischen die Regale zurück. Sie suchte für eine Weile, zog Akten heraus, schaute wieder auf ihren Zettel und kam mit leeren Händen zurück.
    »Nicht hier, Doktor.«
    »Und wo könnte sie sein?«
    Sie zuckte die Schultern. »Hat jemand anders genommen.«
    »Hat schon jemand anders nach dieser Akte gefragt?«
    »Muß wohl, Doktor.«
    Ich fragte mich, wer Interesse an einer zwei Jahre alten toten Akte haben könnte.
    »Es ist sehr wichtig, hören Sie? Gibt es eine Möglichkeit, herauszufinden, wer dieser Jemand ist?«
    Sie dachte einen Augenblick nach, lächelte und griff wieder unter ihre Theke: eine Zigarrenkiste mit fünf Stapeln Anforderungsscheinen, jeweils mit einer Klammer zusammengehalten, die ich

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