Exit
Jack, sagst du. Das heißt, er muß gut gewesen sein.«
»Ein mathematisches Genie, sagt sie, und ein Magier, was Computer anging. Außerdem hatte er einen braunen Gürtel in mehreren Kampfsportarten. Nicht gerade leichte Beute für einen Straßenräuber.«
»Meinst du? Ich weiß, du hast früher auch Selbstverteidigung gemacht und dergleichen, und ich wollte dir nicht deine Illusionen rauben, aber ich habe schon zu viele Kampfsportler in der Leichenhalle gesehen. Selbstverteidigung ist zwar schön und gut, solange man nur in einer Turnhalle herumhüpft und schreit, als hätte man eine Stricknadel im Hintern stecken, aber draußen auf der Straße geht es anders zu. - Dabei fällt mir ein: Ich habe mich umgehört wegen dem Mord an Ashmore. Die Jungs in Hollywood setzen die Aufklärungs wahrscheinlichkeit ganz unten an. Ich hoffe, die Witwe hat keine allzu großen Hoffnungen in der Richtung.«
»Im Moment ist sie noch zu benommen, um irgendwelche Hoffnungen zu haben.«
»Tja…«
»Was?«
»Na ja«, sagte er zögernd, »ich habe mir eine Menge Gedanken gemacht über deinen Fall, über die Psychologie dieser Münchhausengeschichte, und ich habe den Eindruck, daß du eine der möglichen Verdächtigen bisher übersehen hast.«
»Wen meinst du?«
»Deine Freundin Steph.«
»Stephanie? Wie kommst du darauf?«
»Sie ist eine Frau, hat eine medizinische Ausbildung. Und sie geht gegen Autoritäten an und steht gern im Mittelpunkt.«
»Ich glaube nicht, daß es ihr darum geht, Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Aber hast du mir nicht erzählt, daß sie früher einmal die große Aktivistin war, sogar Sprecherin der Assistenzärzte?«
»Ja, aber es schien ihr ernst zu sein mit ihrem Engagement. Sie war so idealistisch.«
»Mag ja sein. Aber betrachte es doch einmal von dieser Seite: Die Verantwortung für Cassie bringt sie in den Mittelpunkt der Geschehnisse, und je kränker das Kind ist, desto mehr steht Stephanie im Scheinwerferlicht. Sie ist die Retterin, die Heldin, die zur Notaufnahme eilt und die Behandlung übernimmt. Daß Cassie die Enkelin des Chefs ist, macht die Sache noch interessanter für sie. Und dann ihre plötzlichen Meinungsumschwünge - erst ist es Münchhausen, am nächsten Tag etwas mit den Drüsen, dann wieder Münchhausen. Wenn das nicht hysterisch ist, dann weiß ich nicht…«
Ich war noch dabei, zu verdauen, was er gesagt hatte, als er fortfuhr: »Und das Kind dreht durch, wenn sie in die Nähe kommt. Hast du noch nie daran gedacht, daß es einen Grund dafür haben könnte, Alex?«
»Aber für Steph gilt dasselbe wie für Vicki«, erwiderte ich. »Bis auf den letzten sind alle Anfälle bei Cassie zu Hause pas siert. Stephanie hatte gar keine Gelegenheit einzugreifen.«
»War sie denn noch nie bei den Jones' zu Hause?«
»Doch, ein oder zweimal, ganz am Anfang, als sie den Schlafmonitor installierten.«
»Na, siehst du. Jetzt nimm einmal an, die ersten Symptome der Kleinen waren echt. Keuchhusten oder dergleichen. Und während Steph sie behandelte, fand sie heraus, wie gut es ihr tat, die Ärztin der Enkelin des Vorstandsvorsitzenden zu sein. Du hast mir selbst erzählt, daß sie mit dem Gedanken spielt, die Abteilungsleitung zu übernehmen.«
»Wenn das ihr Ziel ist, würde sie dann nicht viel besser dastehen, wenn sie Cassie schon längst geheilt hätte?«
»Warum? Haben die Eltern sie etwa fallengelassen, weil sie schon seit Monaten an der Kleinen herumdoktert?«
»Nein. Sie denken, sie ist großartig.«
»Da hast du's. Sie macht die Eltern von sich abhängig und spielt mit Cassie herum. Was will sie mehr? Du hast mir auch erzählt, daß Cassie immer kurz nach Untersuchungen krank wird. Könnte es nicht sein, daß Stephanie sie mit irgendwas vollpumpt und sie dann als medizinische Zeitbombe nach Hause schickt?«
»Aber Cindy war immer mit im Untersuchungszimmer.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil sie nie von Cassies Seite weicht. Außerdem waren einige der Untersuchungen, an die du denkst, bei anderen Ärzten - bei Spezialisten.«
»Und du bist sicher, daß Stephanie sie nicht trotzdem besucht hat an solchen Tagen?«
»Natürlich nicht. Aber das läßt sich leicht in Cassies Patientenkarte nachprüfen.«
»Vorausgesetzt, sie hat es eingetragen. Sie hätte jedenfalls alle Gelegenheit gehabt, der Kleinen unbemerkt etwas zu verabreichen, zum Beispiel über das Holzstäbchen, das jeder Arzt benutzt, wenn er jemandem in den Rachen guckt.«
»Findest du das nicht etwas
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