Exit
Aufforderung nachkommen konnte, sprach er hastig weiter: »Ich sag es Ihnen lieber gleich: Denise ist tot. Jemand hat sie umgebracht. Deswegen sind wir in Panik geraten, als Sie ihren Namen erwähnten. Und dann der andere Mord…«
Er stockte und blickte bedrückt auf den Kuchenteller.
Ich setzte mich auf einen gepolsterten Stuhl und fragte:
»Wann ist es passiert?«
»Vor zwei Monaten«, sagte Bobby, »Mitte März, an einem Wochenende, am neunten, glaube ich. Wir waren zu einem Festival oben im Norden gefahren. Auf dem Rückweg machte der Bus schlapp, und wir blieben für ein paar Stunden stecken. Als wir spät am Sonntag abend - eigentlich war es schon Montag früh - zurückkamen, fanden wir die Visitenkarte eines Polizisten in unserem Briefkasten, mit einer Telefonnummer, die wir anrufen sollten. Er war von der Mordkommission. Wir wußten nicht, was wir tun sollten, also taten wir erst mal gar nichts. Schließlich rief er uns an. Er erzählte uns, was passiert war, und stellte eine Menge Fragen, die wir nicht beantworten konnten. Am nächsten Tag kam er mit zwei anderen Polizisten und stellte das Haus auf den Kopf. Sie hatten aber einen Durchsuchungsbefehl und benahmen sich korrekt.«
Sie schaute Ben an, der bestätigte: »Im großen und ganzen, ja.«
»Sie hofften eben, in ihren Sachen irgendwelche Hinweise zu finden. Natürlich fanden sie nichts, was auch kein Wunder war, denn es war nicht hier passiert, und sie hatten uns gleich zu Beginn gesagt, daß es nicht aussah, als hätte es jemand getan, den sie gekannt hatte.«
»Wieso?«
»Er - dieser Detektiv sagte…« Bobby schloß die Augen und tastete nach einem Plätzchen. Sie biß die Hälfte ab und kaute.
»Nach dem, was der Polizist erzählte, war der Mörder offenbar geistesgestört«, sagte Ben. »Er hat sie regelrecht… geschlachtet.«
Beide sahen erschüttert aus. Es dauerte eine Weile, bis Bobby wieder sprechen konnte.
»Jedenfalls hat die Polizei hier nichts gefunden. Aber Sie können sich vorstellen, welche Angst uns das einjagte. Daß so etwas jemandem passierte, den wir kannten …« Sie griff nach einem zweiten Plätzchen, obwohl sie die Hälfte des ersten noch in der Hand hatte.
»Hat sie das Haus mit Ihnen geteilt?«
»Sie war unsere Mieterin«, erwiderte Bobby etwas indigniert. »Das Haus gehört uns. Wir haben ein zweites Schlafzimmer, das wir früher als Übungsraum oder Tonstudio benutzten. Als ich meine Stelle im Tagesheim verlor, beschlossen wir, es zu vermieten. Wir brauchten das Geld. Wir hängten einen Zettel ans Schwarze Brett drüben in der Uni, weil wir dachten, für einen Studenten sei es gerade richtig, und Denise war die erste, die sich meldete.«
»Wann war das etwa?«
»Letztes Jahr, im Juli.«
Sie aß ihre beiden Plätzchen. Ben tätschelte ihr beruhigend das Knie.
»Sie haben eine medizinische Akte erwähnt. Hat Denise etwas falsch gemacht damit?« fragte er.
»Na ja, eigentlich hätte sie sie zurückgeben müssen.« Sie tauschten vieldeutige Blicke.
»Hat sie das vielleicht öfter gemacht? Sachen genommen und vergessen, sie zurückzugeben, meine ich?«
Das Thema schien ihnen unangenehm zu sein. Schließlich sagte Bobby: »Am Anfang war sie die perfekte Mieterin. Sie räumte stets ihren Kram weg und fiel uns nicht auf den Wecker. Wir sahen sie kaum. Tagsüber arbeiteten wir, und abends hatten wir das eine oder andere Engagement. An freien Abenden gingen wir früh ins Bett. Sie ging immer aus. Sie war eine richtige Nachteule. Es klappte alles ganz gut.«
»Das einzige Problem war, daß sie zu allen möglichen Zeiten ein und aus ging«, sagte Ben. »Die Hunde passen gut auf uns auf, und es gab immer ein Riesengebell, von dem wir aufwachten. Aber wir konnten ihr auch nicht vorschreiben, wann sie nach Hause zu kommen hatte, oder? Nein, die meiste Zeit kamen wir gut miteinander aus.«
»Und wann fing sie an, Sachen zu nehmen?«
»Ungefähr zwei Monate, nachdem sie eingezogen war«, antwortete Bobby. »Zuerst fiel es uns gar nicht auf, weil es sich immer um Kleinigkeiten handelte, Kugelschreiber und so. Wir besitzen nichts Wertvolles außer den Instrumenten, und man verlegt eben Dinge, nicht wahr? Doch dann wurde es immer offensichtlicher: Musikkassetten verschwanden oder ein Sechserpack Bier - dabei hätte sie uns fragen können. Wir sind ziemlich freigebig mit Essen und Getränken, obwohl die Vereinbarung war, daß sie selbst für sich einkauft. Dann war der Schmuck an der Reihe, ein Paar Ohrringe von mir.
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