Exit
pervers: eine Ärztin, die ihre Patienten vergiftet?«
»Nicht perverser als die Mutter, die ihrem eigenen Kind etwas antut. Und in diesem Fall hätte die Ärztin sogar ein Motiv: Rache. Sie haßt den Großvater der Patientin, weil er das Krankenhaus zugrunde richtet, und benutzt Cassie, um es ihm heimzuzahlen.«
»Mein Gott, hast du eine finstere Phantasie.«
»Dafür bin ich schließlich einmal bezahlt worden. Übrigens war es Rick, der mich darauf gebracht hat. Er hat von diesem Münchhausen-Syndrom gehört. Er kennt Fälle, wo es nicht Schwestern, sondern Ärzte waren, die solche Tendenzen entwickelten: Dosierungsfehler, die nicht aus Versehen passieren, und Helden, die gleich zur Stelle sind und das Schlimmste vermeiden. Wie pyromanische Feuerwehrmänner.«
»Chip macht sich Sorgen über solche ›Versehen‹ und über deren Vertuschung. Vielleicht ist er auf der richtigen Spur, ohne es zu wissen. Aber warum ruft sie mich dann zu Hilfe? Um mit mir zu spielen? Und wenn ja, wie kommt sie gerade auf mich? Wir haben nie sehr eng zusammengearbeitet.«
»Daß sie dich zu Rate zieht, würde beweisen, daß sie ihre Sache gründlich macht. Du bist ziemlich renommiert in deinem Fach und damit eine besondere Herausforderung für sie, wenn sie ein Münchhausen ist. Außerdem sind die anderen Psychologen alle verschwunden.«
»Sicher, aber ich weiß nicht… Ausgerechnet Stephanie?«
»Kein Grund, sich graue Haare wachsen zu lassen. Es ist nur eine Theorie unter vielen, die ich mir vorstellen könnte.«
»Ich werde in Zukunft jedenfalls etwas vorsichtiger sein ihr gegenüber, obwohl ich es zum Kotzen finde, wenn man keinem mehr trauen kann.«
»Ist es nicht immer so, wenn's drauf ankommt?«
»Ja, vielleicht… Aber wo wir gerade beim Theoretisieren sind, wie war's damit: Vielleicht kommen wir nicht weiter, weil wir uns auf einen einzelnen Schurken konzentrieren. Könnte es nicht sein, daß mehrere Figuren zusammenarbeiten?«
»An wen denkst du?«
»Als erstes kämen Cindy und Chip in Frage. Der typische Münchhausen-Ehemann ist passiv und schwach, ganz anders als Chip. Er ist intelligent und selbstbewußt; warum aber merkt er dann nicht, daß seine Frau seine Tochter quält? Es könnte jedoch auch Cindy mit Vicki sein.«
»Meinst du, es gibt zarte Bande zwischen den beiden?«
»Entweder das oder eine verwickelte Mutter-Tochter-Geschichte. Cindy findet in Vicki ihre Tante wieder - beides resolute Oberschwestern. Und Vicki sehnt sich nach einer Tochter, nachdem ihre eigene Familie in einer Katastrophe geendet hatte. Vielleicht überschneiden sich hier auf bizarre Weise zwei Psychosen. Oder es läuft etwas zwischen Cindy und Stephanie. Warum nicht? Ich weiß nichts über Stephanies Neigungen oder ihr Privatleben. Früher schien sie kaum eins zu haben.«
»Wo du schon dabei bist: Wie wäre es mit Chip und Stephanie?«
»Na klar! Vater und Ärztin, Vater und Schwester - Vicki benimmt sich jedenfalls so -, Schwester und Ärztin und so weiter. Vielleicht stecken sie alle unter einer Decke, Milo. Die Münchhausen-Gang schlägt zu.«
Er lachte. »Schön, daß ich dich aufheitern konnte. Soll ich unsere Datenbank einfach mal auf Steph loslassen?«
»Bitte. Und wo du schon beim Hacken bist, warum nicht auch Ashmore? Der kann uns wenigstens nicht mehr verklagen deswegen.«
»Noch jemand? Nutze die Gelegenheit, solange ich gut gelaunt bin und der Polizeicomputer dir zur Verfügung steht.«
»Wie wäre es mit mir?«
»Das ist schon längst geschehen«, sagte er, »vor Jahren schon, als sich die Möglichkeit abzeichnete, daß wir Freunde werden könnten.«
In der Hoffnung, Denise Herbert würde an einem Samstag morgen vielleicht zu Hause sein, machte ich einen Ausflug nach Culver City.
Lindblade Street bestand aus dichtgedrängten Schuhkarton-Bungalows mit Vorgärten kaum breiter als ein Handtuch. Denise Herberts hellblauer Kasten war, wie die meisten Häuser, in recht gepflegtem Zustand. Vor der Tür parkte ein alter brauner VW-Bus.
Ein Mann und eine Frau waren im Garten beschäftigt; zwei Hunde, ein Labrador und ein kleiner schwarzer Möchtegern-Spaniel, leisteten ihnen Gesellschaft.
Die beiden mochten Ende Dreißig oder Anfang Vierzig sein. Sie hatten die käsige Hautfarbe von Leuten, die nicht viel an die frische Luft kamen, schulterlanges hellbraunes Haar und trugen randlose Brillen, Unterhemden, Shorts und Gummisandalen. Irgendwie kamen sie mir bekannt vor, ich wußte nur nicht, woher.
Ich hielt hinter dem
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