Exit
sagte Bobby, »nichts, was danach ausgesehen hätte. Hätte der Polizei die Akte nicht auffallen müssen? Aber ich kann noch einmal nachsehen, ob sie nichts vergessen haben.«
Sie ging in die Küche und kam mit einem Schuhkarton und einem Papierstreifen zurück. »Leer. Das hier ist das Foto, das oben drauf lag.«
Es war einer dieser Streifen aus einem Paßfotoautomaten. Vier Versionen eines Gesichts, das einmal hübsch gewesen war, nun aber aufgedunsen und voller Mißtrauen. Glattes schwarzes Haar und große dunkle Augen. Ein verletzter Blick. Ich wollte die Bilder zurückgeben, doch Bobby sagte: »Wenn Sie wollen, können Sie sie behalten. Ich brauche sie nicht.«
Ich schaute die Porträts noch einmal an, bevor ich sie in die Tasche steckte. Vier identische Posen, grimmig und wachsam.
»Traurig«, sagte ich.
»Ja«, stimmte Bobby zu. »Sie hat nie viel gelächelt.«
»Vielleicht liegt die Akte in ihrem Zimmer in der Uni«, sagte Ben.
»Wissen Sie, in welcher Abteilung sie war?«
»Nein, aber sie hat uns eine Telefonnummer gegeben. 2238, nicht wahr?«
»Ich glaube ja«, sagte Bobby.
Ich nahm Papier und Stift aus meinem Aktenkoffer und notierte mir die Nummer. »Sie war Doktorandin?«
»Das hat sie jedenfalls gesagt, als sie sich vorstellte. Biomathematik oder so.«
»Hat sie je den Namen ihres Professor genannt?«
»Der einzige, den sie je erwähnte, war der Typ im Krankenhaus - der ermordet worden ist. Aber sie hat ihn nie beim Namen genannt.«
»Sie schien ihn nicht besonders gemocht zu haben«, sagte Ben.
»Haben Sie eine Ahnung, wieso?«
»Ich weiß nicht. Sie hat nie viel erzählt. Sie sagte einmal, er sei ein Idiot. Sie war wirklich aufgebracht und sagte, sie würde kündigen. Das hat sie dann auch getan, im Februar.«
»Hat sie danach eine andere Stelle angenommen?«
»Nicht, daß ich wüßte«, sagte Bobby.
»Und wovon hat sie gelebt?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls hatte sie immer Geld.« Ben lächelte säuerlich.
»Was hast du?« fragte Bobby.
»Ich denke nur gerade an sie und ihren Boß. Sie hat ihn gehaßt, und jetzt sitzen sie im selben Boot. L. A. hat sie beide erwischt.«
Bobby schauderte und aß noch ein Törtchen.
17
Der Mord an Denise Herbert und ihre Neigung zum Stehlen gaben mir zu denken. Ich hatte angenommen, sie hätte die Akte in Ashmores Auftrag entliehen. Aber vielleicht war es ihre Idee gewesen. Vielleicht hatte sie etwas erfahren, das den Jones' schaden konnte, und versucht, es zu ihrem Vorteil zu nutzen.
»Denise Herbert ist im März umgebracht worden, wahrscheinlich am neunten, irgendwo in der Innenstadt, in der Nähe eines Punkclubs. Der ermittelnde Polizeibeamte hieß Ray Gomez. In einer Stunde sollte ich im Krankenhaus zu erreichen sein. Laß mich ausrufen, wenn du Neuigkeiten hast.«
In weniger als einer halben Stunde war ich im Krankenhaus. Bevor ich auf die Station fuhr, ging ich auf eine Tasse Kaffee in die Cafeteria. Die Mittagspause war noch nicht zu Ende, trotzdem war der Saal fast leer. Dan Kornblatt ließ sich gerade sein Wechselgeld in die Hand zählen, als ich zur Kasse kam. Er nickte mir steif zu.
»Hallo, Dan. Was ist denn hier los?«
Mein Lächeln schien ihn zu stören. »Hast du nicht die Zeitung gelesen?« fragte er mich.
»Nur überflogen.«
Er verdrehte die Augen, schnauzte: »Was soll ich da noch sagen« und ließ mich stehen. Ich kam mir vor, als hätte ich etwas Schlimmes verbrochen. Ich bezahlte meinen Kaffee und fragte mich, was er wohl meinte. In der ganzen Cafeteria konnte ich keine gebrauchte Zeitung entdecken. Ich trank zwei Schlucke und ging zum Lesesaal der Bibliothek, doch der war diesmal verschlossen.
Die Privatstation war ruhig. Alle Türen standen offen, außer der zu Cassies Zimmer.
Vicki Bottomley saß hinter dem Stationsschalter und las in einer Patientenakte.
»Hallo, gibt's was Neues?« begrüßte ich sie.
Sie schüttelte den Kopf und hielt mir, ohne aufzublicken, die Akte hin. Ich nahm sie, öffnete sie aber nicht. Ich lehnte mich über den Schalter und fragte: »Wie geht es Cassie he ute?«
»Ein bißchen besser.« Sie schaute mich nicht an.
»Wann ist sie aufgewacht?«
»Gegen neun.«
»Ist ihr Vater schon hier?«
»Es steht alles da drin.« Sie zeigte auf die Akte. Immer noch kein Blickkontakt.
Ich schlug die Akte auf und las Al Macauleys letzte Eintragung und die des Neurologen.
Sie griff nach einem Formular und begann zu schreiben.
»Cassies letzter Anfall scheint sehr heftig gewesen zu sein«, sagte
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