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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Eingang der Cafeteria zog er ein Schlüsselbund aus der Tasche. »Als eine der ersten Maßnahmen haben wir eine Nutzungsstudie für unsere Einrichtungen durchgeführt. Die hat gezeigt, daß der Speisesaal zu dieser Tageszeit kaum gebraucht wird.«
    Er steckte einen Schlüssel ins Schloß und hielt mir die Tür auf.
    »Chefprivileg«, sagte er. »Nicht sehr demokratisch, aber Demokratie funktioniert eben nicht überall.«
    In der Cafeteria war es stockdunkel. Ich tastete nach einem Lichtschalter, doch Chuck kam mir zuvor. Ein Teil der Neonleuchten erwachte flackernd zum Leben.
    Er wies mir einen Tisch in der Mitte des Saales an und ging hinter die Theke, um sich ein Zitronenwasser und ein Stück Kuchen zu holen. Er benahm sich, als wäre er in seiner eigenen Küche. Dann setzte er sich zu mir.
    »Sie müßte eigentlich gesund sein, verdammt noch mal«, sagte er nach einem Schluck und einem Bissen. »Ich verstehe wirklich nicht, was mit ihr los ist, und niemand scheint in der Lage zu sein, mir eine klare Auskunft zu geben.«
    »Haben Sie mit Dr. Eves gesprochen?«
    »Mit ihr und mit allen anderen. Niemand scheint etwas zu wissen. Wie sieht es mit Ihnen aus?«
    »Ich habe leider auch nichts anzubieten.«
    Er lehnte sich vor. »Warum hat man Sie überhaupt hinzugezogen? Ich sehe nicht, was ein Psychologe hier ausrichten könnte.«
    »Da kann ich leider nichts darüber sagen, Mr. Jones.«
    »Nennen Sie mich Chuck. Mr. Jones ist ein Lied von die sem Langhaarigen, wie heißt er doch gleich - Bob Dylan. Überrascht, daß ich das weiß? Das ist Ihre Generation, nicht meine, aber der Spruch stammt aus Chips Schultagen und ist seitdem ein ständiger Witz in meiner Familie. Mein Gott, hat Chip mich damals bekämpft! Was immer ich von ihm verlangte, er lehnte sich dagegen auf und sagte, ich benähme mich genau wie der Mr. Jones in dem Lied, wie der Kerl, der keine Ahnung hat. Er spielte es immer in voller Lautstärke. Den Text habe ich mir nie richtig angehört, aber ich verstand, was er meinte. Heute sind wir die besten Freunde und lachen über die Zeit damals. Er ist im Grunde ein guter Junge. Der Ohrring und die Frisur sind nur Teil seines Images als College-Professor. Seine Schüler finden das toll. Er ist ein großartiger Lehrer. Er ist sogar ausgezeichnet worden für seine Lehrerfolge.«
    »Wirklich?«
    »Einige. Sie werden ihn nie darüber reden hören, dazu ist er zu bescheiden. Das war er schon immer. Die Prahlerei muß ich für ihn erledigen. Die Auszeichnungen stammen aus seiner Studentenzeit in Yale. Er hatte immer schon ein Gespür fürs Lehren. Er gab damals Nachhilfe für die schwächeren Studenten und für Schüler der umliegenden High-Schools. Er war so erfolgreich, daß man auf ihn aufmerksam wurde und ihn belobigte. So begabt ist er.«
    »Sie müssen sehr stolz auf ihn sein«, sagte ich.
    »Bestimmt. Cindy ist es auch. Ein reizendes Mädchen und ganz ohne Zicken. Die beiden haben etwas Solides auf die Beine gestellt. Cassie ist der Beweis dafür. Ich weiß, ich bin voreingenommen, aber sie ist das wunderbarste, schönste und intelligenteste kleine Mädchen auf der Welt.«
    »Und das, obwohl sie soviel durchzumachen hat.« Für einen Moment schloß er die Augen.
    »Sie wissen sicher, daß wir schon ein Baby verloren haben? Ein wunderbarer kleiner Bursche - Krippentod. Es weiß immer noch niemand, wie so etwas passieren kann, nicht wahr? Es war die Hölle, kann ich Ihnen sagen. Aus heiterem Himmel, von einem Tag auf den anderen war er… Ich verstehe einfach nicht, warum mir niemand sagen kann, was diesmal nicht stimmt.« Er schüttelte den Kopf.
    »Und nun tauchen plötzlich Sie hier auf. Nehmen Sie das bitte nicht persönlich, aber ich verstehe nicht ganz, warum. Sie haben sicher alle möglichen Horrorgeschichten über die Schließung der Psychiatrieabteilung gehört. In Wahrheit hatte meine Entscheidung nichts mit meiner Einstellung zu Psychiatrie und Psychologie zu tun. Was ich ablehnte, waren die Versager, die die Abteilung damals führten und die keine Ahnung hatten, wie man ein Budget macht und sich daran hält. Und ansonsten waren sie auch nicht gerade kompetent. Das war jedenfalls die Einschätzung der anderen Ärzte, mit denen ich sprach. Wenn man sie jetzt hört, meint man, es wären lauter Genies gewesen und wir hätten eine psychiatrische Spitzengruppe vernichtet. - Na egal, eines Tages werden wir hoffentlich in der Lage sein, eine wirklich gute, solide Abteilung aufzubauen, mit echten Spitzenleuten.

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