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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Haben Sie nicht früher selbst hier gearbeitet?«
    »Das ist schon Jahre her.«
    »Haben Sie jemals daran gedacht, wiederzukommen?«
    »Nein.«
    »Warum sind Sie weggegangen?«
    »Aus verschiedenen Gründen.«
    »Wollten Sie Ihr eigener Boß sein und die Segnungen des freien Marktes genießen?«
    »Das war einer der Gründe.«
    »Dann können Sie vielleicht objektiv sein und verstehen, wie unabdingbar Effizienz und Realismus sind. Im allgemeinen finde ich im privaten Sektor mehr Verständnis als hier im Krankenhaus, denn eine Arztpraxis muß auch wie ein Geschäft betrieben werden. Es sind immer nur die, die vom Staat… Aber lassen wir das. Zurück zu der Frage, welche Rolle Sie im Fall meiner Enkelin spielen. Es wird doch niemand die Frechheit haben, zu behaupten, Cassies Krankheit sei geistig bedingt, oder?«
    »Über Einzelheiten kann ich wirklich nicht sprechen, Chuck.«
    »Wieso nicht, zum Teufel?«
    »Ärztliche Schweigepflicht.«
    »Chip und Cindy haben keine Geheimnisse vor mir.«
    »Das muß ich von ihnen persönlich hören. Gesetz ist Gesetz.«
    »Sie sind ein harter Brocken, nicht wahr?«
    »Nicht besonders, nein«, sagte ich lächelnd.
    Er lächelte zurück und trank von seinem Zitronenwasser.
    »In Ordnung, Sie machen Ihren Job und müssen sich an Ihre Regeln halten. Ich nehme an, ich muß mir eine Art Vollmacht geben lassen. Bis dahin müssen Sie schweigen.«
    »So ist es.«
    Er grinste breit und zeigte eine Reihe schrägstehender brauner Zähne.
    »Das hindert mich aber nicht daran, selbst den Mund aufzumachen, oder?«
    »Natürlich nicht.«
    Er fixierte mein Gesicht und studierte es mit einer Mischung aus Interesse und Skepsis. »Nehmen wir einmal an, daß niemand ernsthaft glaubt, Cassies Probleme seien psychisch bedingt, weil das einfach zu lächerlich ist.«
    Er hielt inne und lauerte auf meinen Gesichtsausdruck.
    Ich bemühte mich, keine verräterische Reaktion zu zeigen.
    »Dann bleibt mir als einzige Erklärung für Ihre Anwesenheit, daß jemand denkt, mit Cindy und Chip ist etwas nicht in Ordnung, was ebenso lächerlich ist.«
    Er lehnte sich zurück und studierte weiter mein Gesicht. Ein triumphierender Blick. Ich war sicher, daß ich keine Miene verzogen hatte, und fragte mich, ob er trotzdem etwas erraten hatte oder ob er nur bluffte.
    »Psychologen werden nicht nur für Analysen hinzugezogen, sondern auch als Unterstützung für Patienten, die unter besonderem Streß stehen«, sagte ich.
    »So etwas wie ein bezahlter Freund, was?« Er rieb sich wieder die Nase und stand lächelnd auf. »Na gut, dann seien Sie bitte ein guter Freund, denn es sind gute Kinder. Alle drei.«

21
    Auf dem Heimweg überlegte ich, was er eigentlich von mir gewollt und ob er es bekommen hatte.
    War er der besorgte Großvater, der meinen Rat suchte? Chip und Cindy hätten keine Geheimnisse vor ihm, hatte er gesagt. Und doch hatten Chip und Cindy sich nicht die Mühe gemacht, ihn über Cassies Entlassung zu informieren. Es wurde mir bewußt, daß sein Name in den Gesprächen, die ich mit den beiden gehabt hatte, kaum zur Sprache gekommen war.
    Ein harter kleiner Mann, für den alles Geschäft war. Sogar in den wenigen Minuten, die wir zusammengesessen hatten, hatte er Familienangelegenheiten mit Krankenhausfragen vermischt.
    Er hatte keine Sekunde mit Widerspruch verschwendet, hatte nie versucht, meine Meinung zu ändern. Statt dessen hatte er sich darauf verlegt, den Ablauf unseres Gesprächs zu bestimmen. Auch den Ort schien er mit Bedacht gewählt zu haben: den Speisesaal, den er geschlossen hatte und nun als seine Privatkantine benutzte, wo er sich selbst bediente, mir aber nichts angeboten hatte.
    Erst brachte er meine mutmaßliche Feindseligkeit gegen den Mann zur Sprache, der für die Streichung der Psychiatrieabteilung verantwortlich war, um mich dann beiläufig zu besänftigen:
    Eines Tages werden wir hoffentlich in der Lage sein, eine wirklich gute, solide Abteilung aufzubauen, mit echten Spitzenleuten … Haben Sie je daran gedacht, wiederzukommen?
    Und als ich abblockte, hatte er sich sofort zurückgezogen und Verständnis für meine Schweigepflicht gezeigt.
    Ich kam zu dem Schluß, daß er wahrscheinlich bald ein Treffen mit mir arrangiert hätte, wenn wir uns nicht zufällig begegnet wären. Ich war ein zu kleiner Fisch für ihn, als daß es ihn interessiert hätte, was ich von ihm hielt. Nein, ihn interessierte nur, was ich über seine Familie wußte. Das heißt, es gab vermutlich etwas zu verbergen,

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