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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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so ein tiefes Bekümmernis, dass ich mir damals geschworen habe: Das lasse ich mir später nicht mehr gefallen. Ich will, wenn ich arbeite, zu meiner Zeit aufstehen.
    Das ist bis heute so geblieben: Wenn ich nicht ausgeschlafen habe, bin ich ein nervous wreck. Aber nicht nur deshalb ist es mir bis heute sehr wichtig, dass ich der master of my time bin.
    Aber gut, durch die Lehre war ich mal wieder aufgeräumt, weg von der Straße. Allerdings lernte ich in der Zeit, künstlerisch mit Fotos zu arbeiten. Heute macht man das ja alles am Computer. Wenn nicht viel zu tun war, arbeitete ich an Bildern von »meinen« Stars und verschönerte sie. Oder ich retuschierte Bilder von mir, die mein Onkel Otto und Tante Inge aus der Familie meiner Mama aufgenommen hatten. Darauf sah ich dann schließlich genauso aus, wie ich mir mich in meinen Wunschträumen vorstellte. Ich lernte durch diese mühsame Detailarbeit, die interessanterweise von einem völlig cholerischen Chef angeleitet wurde, Geduld und zeichnete auch in meiner Freizeit immer weiter. Und ich fing an, innerlich ernsthaft ein Bild von mir zu entwerfen. Ein Bild davon, wie ich wirklich sein wollte.
    Anna: Immer wieder kommt in unseren Gesprächen das Wort »Lernen« vor.
    Uschi: Ja, das bedeutet für mich, dass etwas Neues passiert, mit dem ich mich auseinandersetzen will. Wenn jeder Tag gleichförmig ist, ohne Überraschungen – und damit meine ich jetzt nicht unbedingt die großen Sensationen und Wahnsinnsreisen, sondern auch so kleine Erlebnisse wie ein neues Kunststück meiner Pepis –, wenn ich einfach so in den Tag hineinleben würde, ohne das Besondere um mich herum zu sehen und zu spüren, dann würde es mir tödlich langweilig.
    Anna: Lernen ist spüren?
    Uschi: Ja, absolut. Spüren, fühlen, sehen, riechen, schmecken. Sich innere Ziele setzen und an sie glauben. So kommst du weiter, nur so. Zumindest für mich hat das immer so gestimmt. Für mein Leben hat die Schule oder eine Ausbildung keine Rolle gespielt. Ich habe das gekriegt, was ich wollte. Allerdings habe ich auch sehr gerne schlaue, kluge, belesene Leute um mich. Das inspiriert mich. Mir imponiert es, wenn Menschen viel wissen und das auf eine angenehme, sensible Art weitergeben können. Oberlehrer liegen mir eher weniger … Genauso wenig wie Leute, die eben nichts lernen wollen, nicht am Leben und daran, was um sie herum ist, interessiert sind und einen engen Horizont haben. Die sind für mich sehr langweilig, und ich will auch nichts näher mit ihnen zu tun haben. Auf kluge Freunde höre ich aber, selbst wenn die etwas an mir auszusetzen haben. Da kann ich auch Kritik annehmen. Natürlich hört man nicht so gerne etwas Negatives über sich, aber konstruktive Kritik ist wichtig. Da ist schon etwas dran, und das bedeutet ja auch, dass ich mich weiterbilde und dass ich mich im Auge behalte.

Zeichnen lernen, sehen lernen
    Otto und Inge waren mein Lieblingsonkel und meine Lieblingstante. Er war Grafiker, und wir haben uns immer am Wochenende und mittwochs gegenseitig besucht. Manchmal sind wir zu ihnen gefahren, oder sie sind am Wochenende zu uns ins Häuschen gekommen. Die haben sich richtig viel Mühe gemacht mit mir, mein Onkel und meine Tante. Oft hat sich Otto mit mir hingesetzt, um zu zeichnen und mir verschiedene Techniken beizubringen. Hände zeichnen zum Beispiel ist so oder so schwierig. Dann hieß es aber: »So, zeichne mal eine Hand so.« Also perspektivisch. Natürlich biss ich mir daran anfangs die Zähne aus. Aber er hat sich immer wieder mit mir hingesetzt und mit Engelsgeduld geübt, bis ich es raushatte. Außerdem haben die beiden mich auch viel durch Galerien und Museen in München geführt. Otto hat mir immer gesagt: »Du musst nicht alles wissen und musst kein Fachidiot auf irgendeinem Spezialgebiet sein. Aber du musst von allem etwas wissen.« Er war ein Mensch mit einer unglaublichen Allgemeinbildung, weil ihn so viel interessierte. Heute scheint das ja beinah etwas Altmodisches zu sein. Es zählt ja nur Spezialisierung, und dahinter kommt dann gar nichts mehr, gähnende Leere. Dabei macht einen dieses breite Wissen erst zu einem Menschen, einer Persönlichkeit.

München, 1959

Einmal hat er mir eine kleine Schachtel geschenkt, in der lauter kleine Edelsteine lagen – zum Großteil Halbedelsteine in den verschiedensten Farben. Darunter befand sich auch ein kleiner Rubin. Dann hieß es: »Schau sie dir genau an, ganz genau. Du erkennst den Stein, den du finden sollst, an seiner

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