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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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Farbe, an seinem ganz besonderen Rot.« Und tatsächlich, ich konnte es, instinktiv. Bis heute ist es so, dass ich ziemlich schnell erkennen kann, was ein echter Stein oder was ein Fake ist. Zumindest meistens. Es gibt natürlich manchmal so gute Fakes, bei denen ich auch scheitere. Es ging immer um das genaue Hinschauen, darum, in der Masse von Gewöhnlichem das Besondere, das Schöne zu entdecken. Wenn du als Kind so an dieses Denken und Schauen herangeführt worden bist, dann verinnerlichst du das. Dieses genaue Hingucken ist ein Talent, das schon früh bei mir gefördert wurde, ein großer Schatz. Du lernst, alles um dich herum genauer wertzuschätzen. Dabei sind die kleinsten Dinge, die verborgensten, oft die kostbarsten.
    Ich habe später noch andere »Lehrer« kennengelernt, die genau das vertieft haben. Das Leben entwickelt sich anders, wenn du gut beobachtest. Es ist die Grundlage von Kreativität, von Liebe, von echten Beziehungen zu Menschen und Dingen.
    Bei einem unserer Galeriebesuche habe ich mir dann meinen ersten (und einzigen) Picasso gekauft, von meinem Taschengeld. Eine kleine Lithografie. Später kamen noch ein kleiner Renoir dazu und ein Holzschnitt von Maillol. Große Kunst für ein kleines Mädchen.

Vorbild-Ikonen
    Meine Freiheit blieb derweil fast auf der Strecke. Fliehen konnte ich immer wieder ins Kino. Dann sah ich sie, meine Vorbilder, ich litt und liebte mit ihnen. Immer wieder in den großen Dramen des Lebens: James Dean, die Bardot, die Loren, das waren die Schauspieler, die ich damals bewunderte, erotische Ikonen von einer kraftvollen, aber auch zerbrechlichen und unnahbaren Schönheit. Die ihre Filmdramen überlebten oder sogar noch stärker durch sie wurden oder daran zerbrachen …
    Die andere Freiheit war die, dass ich am Wochenende einfach loszog, um Musik zu hören, zu tanzen, Spaß zu haben. Musik wurde zu meiner Leidenschaft, die bad boys an den Instrumenten zu meiner zweiten. Jeden Samstag, wenn wieder eine Horrorwoche in der Firma mit schlechter Laune, Intrigen, Bosheiten und Demütigungen hinter mir lag, kam im Fernsehen außerdem die tollste Sendung der Welt. Der »Beat Club« war eine halbe Stunde reines Glück mit Sängern aus einem anderen Universum. Ich wusste, es gab da draußen eine Welt, die anders war als meine graue, eintönige, in der es vor allem darum ging, sich zusammenzureißen, sich zu ducken, nur nicht aufzufallen und jeden Tag dasselbe zu tun, bis man irgendwann alt und müde war und tot umfiel. Das konnte so nicht weitergehen. Ich fühlte mich bereits lebendig tot.

Es kam zum Bruch zwischen uns, …
    … als meine Mutter in der Arbeit den Hans kennengelernt hat. Der war mir ein völliges Gräuel, und zwar nicht, weil ich eifersüchtig war oder so. Nein, ich mochte ihn einfach nicht. Er entsprach nicht meinem Idealbild von einem Mann und sah auch nicht schön aus wie mein Vater mit seinem speziellen Flair. Ich konnte mich furchtbar darüber aufregen, wie der Hans ausschaute oder angezogen war. Er war mir regelrecht peinlich. Dabei war das so ein feiner Mann. Aber ich war damals nur auf Äußerlichkeiten aus, das gab mir irgendwie eine Sicherheit. Das war etwas, woran ich mich festhalten konnte. Schönheit, Flair und Wildheit waren gut, ein grobes Gesicht, hässliche Klamotten und Bodenständigkeit waren schlecht. Dass jedes Ding mehr als zwei Seiten hat, habe ich erst später gelernt …
    Der Hans war Schreiner und kam aus Niederbayern, das ist in Bayern so ziemlich der schlimmste Herkunftsort, den man sich vorstellen kann. In Niederbayern wohnen die Dimpfeln, die sind ein bisschen schlicht vom Gemüt und sprechen eine Sprache, die kein Mensch versteht. Alles Vorurteile natürlich. Der war einfach zu sehr auf dem Boden, und ich wollte damals nur eins: fliegen. Aber letztendlich waren diese Vorurteile das Wasser auf meiner Mühle. Ich sah im Hans also nur den niederbayrischen Bauern, der sich da bei uns einnistete. Da war ich echt gemein und böse. Ich war damals ja schon viel unterwegs am Abend, in den Schwabinger Clubs beim Tanzen, und habe mir von den beiden überhaupt nichts mehr sagen lassen. Wenn es hieß: »Und du bist dann und dann zu Hause …«, habe ich nur zurückgefaucht: »Du kannst mir doch nichts sagen. Du bist ja nicht mein Vater. Du kannst mir doch überhaupt nichts sagen.« Zuletzt habe ich in meiner Wut und meinem Unabhängigkeitsdrang beide aus dem Haus geschmissen. Da war ich ganz kalt vor lauter Wut. Wie konnte sie mir so einen Typen

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