Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
nicht darüber nach, weil sie es so gewohnt sind. Das ist hart gegenüber den anderen, den Nicht-Prinzessinnen, die das alles nicht haben, die wissen, wie schmerzhaft es sein kann, nicht wichtig zu sein. Nicht zu existieren.
Wenn ich mich heute so umschaue in meinem Freundeskreis, wie hier die Eltern mit ihren Kindern umgehen, wie sehr diese Kinder geliebt und verwöhnt werden, dann bin ich manchmal fast neidisch. Es macht mich irgendwie traurig, wenn ich sehe, mit welch bedingungsloser oder totaler Liebe und Anerkennung diese Kinder aufwachsen, wie sehr sie sich sicher sein können, bewusst oder unbewusst, geliebt zu sein.
Die Schuldfrage
Manchmal frage ich, woher diese Bereitschaft von mir kam, mich schuldig zu fühlen für etwas, wofür ich gar nichts konnte. Schuld ist ein großartiges Unterdrückungsmittel. Wer anderen Schuld einflößt, hat Macht. Wer ganz groß im Schuldeinflößen ist, ist die katholische Kirche – von zu Hause wurde ich allerdings nicht wirklich katholisch erzogen. Wir waren zwar wie alle guten Bayern katholisch, gingen aber nicht ständig in die Kirche und hielten uns auch nicht größer an christliche Rituale. Aber manchmal kam es vor, dass ich eine Religionslehrerin hatte, die ich sehr liebte, und wenn ich jemanden liebe, dann beschäftige ich mich auch mit dem, was er mir sagt oder mir beibringen will. Wenn ich dafür einen Lehrer nicht liebte, konnte er mir übrigens beibringen, was er wollte. Da lief gar nichts. Im Religionsunterricht fand ich den Umstand sehr merkwürdig, dass dir beim Abendmahl mit einer Oblate im Mund alle deine Sünden vom Heiligen Geist vergeben werden. Das ist wirklich interessant mit dem Sündenbegehen und dem Vergeben. Je mehr man sich vor allem als Kind damit beschäftigt, entsteht dabei so ein unbestimmtes, dumpfes, katholisches Schuldgefühl.
Dann war da noch die Sache mit der Erbsünde. Mit sechs oder sieben Jahren sollte ich also schon schuldig an der Vertreibung aus dem Paradies sein. Das lehnte ich aus meinem tiefsten Inneren, aus meinem Bauchgefühl ab. Ich hatte noch nicht einmal richtig gelebt, und daran sollte ich jetzt also schuld sein. Ich hielt es dann später ja lieber mit dem Spruch »Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s nachher ungeniert«. Mit siebzehn oder achtzehn bin ich auch aus der Kirche ausgetreten. Warum sollte ich Kirchensteuer zahlen für Leute, die mir immer drohen und Angst machen? Alle Machtverhältnisse beruhen nur auf Angst. Das läuft in der Politik heute ja ganz genauso. Wenn man Angst hat, wird man in Schach gehalten. Auch wenn ich damals noch klein war, so hatte ich einen gesunden Widerwillen gegen diese Machtspielchen.
Das Einzige, woran ich mich nach wie vor schuldig fühlte, war die Sache mit meinem Vater, dass er ging … Natürlich weiß ich heute – viele Stunden beim Psychotherapeuten meines Vertrauens später –, dass das nicht stimmt. Aber solche Muster graben sich tief ein und sitzen einfach fest wie in Blei gegossen. Vielleicht habe ich mich später auch aus diesem Grund nicht gerne anbinden und so wenige Verpflichtungen oder einengende Bindungen wie möglich eingehen wollen. Ich mag es auch bis heute nicht, wenn mich jemand aus Spaß festhält. Das macht mich richtig wütend und aggressiv. Oder wenn ich im Bett liege, und es hält mich jemand an den Beinen fest, dann raste ich aus. Mir wird’s dann ganz heiß, und ich könnte schreien. Das kann ich überhaupt nicht aushalten. Es ist wirklich traumatisch. Ich halte auch diese amerikanischen Bettdecken nicht aus, bei denen das Leinentuch unter der Matratze festgesteckt ist. Wenn ich im Hotel schlafe, muss ich immer ein Bein heraushängen lassen, als ob ich gleich aufstehen und losrennen würde.
Anna: Was war es, das dich zu einem der bekanntesten Fotomodels gemacht hat?
Uschi: Ich glaube, dass ich mich nicht verkauft habe. Ich habe mich nie wirklich verkauft. Natürlich habe ich Geld für meine Arbeit bekommen, aber das tut jeder andere auch, der arbeiten geht. Mir war aber immer sehr wichtig, was ich da tue und für welche Produkte ich werbe. Das klingt in der Nachschau arrogant, aber so war ich damals. Und irgendwie hat das bei meinen Auftraggebern wie ein Aphrodisiakum gewirkt. Dabei war das keine Strategie oder Berechnung von mir, ich habe immer aus dem Bauch raus entschieden, von wem ich mich für was fotografieren lasse.
Anna: Du hattest eine bestimmte Gesinnung.
Uschi: Ja, und vor allem habe ich mich eben nicht so als Fotomodell gesehen –
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