Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
waren auf dem Trip nach Asien und gerade in der Türkei angekommen. Den Bus hatten wir vor einer Garage geparkt. Plötzlich parkt neben uns ein afghanischer Trucker. Der stieg aus und begann seelenruhig damit, ein Schaf zu schlachten, schnitt ihm vor unseren Augen einfach die Kehle durch. Überall war Blut, und ich wollte mir das nicht anschauen. Bockhorn war streng und sagte: »Du schaust dir das jetzt an, du isst Fleisch! Wenn du kein Fleisch isst – okay. Dann geh weg. Aber du isst Fleisch. Schau dir das mal ganz genau an!« Dann hat er mich tatsächlich dazu gebracht – ich habe ja hin und wieder auf ihn gehört –, mir das anzusehen.
Erst lässt man das Tier ausbluten, dann wird der Bauch aufgeschnitten, die ganzen Gedärme und Innereien werden herausgenommen. Dinge, von denen man sagt: »Eigentlich ekelhaft.« Aber es stimmt, ja. Ich esse Fleisch. Und dann ist mein Ekel auch eine Heuchelei. Einerseits sage ich: »Mit diesen Dingen möchte ich nichts zu tun haben.« Da ist diese Grausamkeit, das halte ich nicht aus. Aber ich esse ja trotzdem immer noch Fleisch. Ich wünschte mir natürlich, ich würde es nicht tun, weil ich kein Tier leiden lassen möchte, kann aber einem guten Stück Fleisch einfach nicht widerstehen.
Vielleicht schaffe ich es in diesem Leben noch mal. Inzwischen achte ich darauf, dass ich nicht so viel Fleisch esse, und vor allem, dass ich mir eines aussuche, von dem ich weiß, dass es ein schönes Leben als Tier gehabt hat. Auf der Basis tue ich es weiter. Deswegen war es gut, dass Bockhorn mich damals »gezwungen« hat, bei der Schlachtung zuzusehen. Nur so wird einem bewusst, wofür das geschieht. Wenn man den Ekel und die Angst überwindet, kann es sogar ein sehr interessanter Prozess sein, der viel mit dem zu tun hat, wie das Leben eben so läuft. Der Tod gehört dazu – und nicht nur wegen Essen und Gegessenwerden. Er ist einfach Bestandteil unseres Lebens und nicht so dunkel, wie man meint. Wenn ich beim Schlachten zusehe, erkenne ich, wie das Tier gebaut ist, wie seine Innereien aussehen, seine Haut. Dieses Erlebnis war eine der größten Lehren. Seither schaue ich mir immer genau an, wovor ich mich fürchte oder ekle.
Anna: Die Liebe mit und zu Bockhorn ist bei euch, solange ihr zusammen wart, stetig gewachsen.
Uschi: Ja, solange wir auf Reisen waren und uns fortbewegten. Das war unsere kreativste, lebendigste Zeit. Ich kannte bis dahin ja nur Beziehungen, die höchstens zwei Jahre gedauert hatten. Dann ist oft alles, die ganze Geschichte, verblasst. Ich wusste gar nicht mehr, warum ich anfangs überhaupt in einen Mann verliebt gewesen war. Damals war ich noch auf der Expect-something-Schiene.
Anna: Du meinst, du hattest bestimmte Erwartungen in deine Männer, die sie erfüllen sollten.
Uschi: Ja, natürlich unbewusst. Aber das tun nicht nur junge Menschen. Man projiziert in den anderen etwas hinein, was man unbedingt haben möchte: Coolness, endless love, absolute Hingabe, dabei Freiheit, Großzügigkeit, Humor, gut aussehen soll er natürlich … und so weiter.
Anna: Wie war das damals mit Rainer Langhans? Er war dir doch auch ein sehr wichtiger Mann.
Uschi: Ja, aber auch nur zwei Jahre (lacht).
Anna: Aber das, was er dir in der Zeit, in der ihr zusammen wart, gegeben hat, dafür bist du ihm schon dankbar?
Uschi: Total, total! Bei Rainer hatte ich diese Erwartungshaltung auch anfangs gar nicht. Ich war nur so verliebt und fand es absolut touching, wie er sich für mich interessierte. Das war eine Art oder eine Innigkeit, die ich bis dahin nicht kannte. Da fand mich jemand nicht nur schön, sexy und wild. Sondern er wollte viel mehr. Rainer wollte ganz genau wissen, was ich bisher in meinem Leben erlebt hatte. Er wollte meine Geschichte hören und vor allen Dingen: Er war der Erste, der meine Instinkte nicht nur wahrnahm, sondern sie auch wertschätzte. Und ich habe gute Instinkte. Darauf bin ich richtig stolz.
Anna: Man könnte auch sagen: Intuition oder Bauchgefühl. Alles Dinge, die von Kopfmenschen ja eher belächelt werden.
Uschi: Ja, aber letztlich bringt uns nur unser Instinkt weiter. Das weiß jeder, der seine Erfahrungen gemacht hat. Mit dem Kopf kannst du buchhalterische Entscheidungen treffen oder überlegen, ob du dir eine Solaranlage auf dem Dach machen lässt, weil das vernünftiger ist und du dich unabhängig von gierigen Stromunternehmen machst. Instinkte sind immer dann wichtig, wenn es um die essenziellen Geschichten geht. Um die Entscheidung für
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