Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
den richtigen Beruf, der zu dir passt und dich glücklich macht, für den richtigen Mann, für Menschen, die Freunde werden oder von denen man lieber die Finger lässt. Für alles Wichtige im Leben eben.
Anna: Instinkte waren zu Zeiten der Kommune aber eher auch nicht en vogue. Ich stelle mir endlose Diskussionen vor, alles eher unsexy und verkopft.
Uschi: Ja und nein. Was Rainer betrifft, hat er mir sogar klar gemacht, dass es sich mit den Instinkten verhält, wie wenn man Talent hat. Man muss sie fördern. Wenn man das nicht tut, verschwinden sie auch in der Versenkung. Rainer hat daran geglaubt, und wenn er diese Talente von mir nicht wertgeschätzt und gefördert hätte, dann wären sie untergegangen. Davon bin ich überzeugt. Ich hätte höchstwahrscheinlich auch einen anderen Lebensweg eingeschlagen. Ich hätte bestimmte Begegnungen in meinem Leben nie gemacht, wäre nicht auf Reisen gegangen. Er hat mich total ernst genommen und danach gehandelt. Und das gegenüber all den anderen intellektuellen Typen, die dafür kein Verständnis hatten oder diese Vorzüge von mir sogar verächtlich behandelten. Er hat mich in meiner Intuition unglaublich bestärkt. Und er war sehr liebevoll, was damals bei den Machotypen nicht so eine große Rolle spielte. Gefühle zeigten die damals alle nicht. Es wurde nur geredet. Sex war ein Trieb, den lebte man im Matratzenlager der Kommune aus.
Anna: Die Liebe in den Zeiten der Kommune war also möglich?
Uschi: Ich habe ihn wirklich sehr, sehr geliebt. Es hatte sich noch nie zuvor jemand so tief für mich interessiert. Er war der erste von ein paar großen Männern, die folgen sollten, und hat denen vielleicht sogar den Weg bereitet, weil ich mit und von ihm so viel gelernt habe. Denn er war ja auch sehr klug, also mehr als nur intelligent. Ich habe mich so lange Zeit so minderwertig gefühlt unter all diesen Kopfmenschen. Ständig das Diskutieren und dann noch mit so vielen Ausdrücken und Wörtern, von denen ich überhaupt nicht wusste, was das sein sollte. Die kamen aus Bücher- und Zeitungswelten und Diskussionsrunden an den Unis oder sonst wo, eine völlig fremde Welt. Der Unterschied war nur: Ich hatte großen Respekt vor den Leuten in der Kommune (vor den meisten) und dem, was sie alles wussten. Sie hatten aber keinen vor mir. Heute weiß ich, dass das gar nicht geht. Wenn dir jemand Respekt entgegenbringt, dann schenke ihm auch deinen. Das ist menschlich. Was damals lief, war letztlich eine ganz dumme Überheblichkeit.
Anna: Wahrscheinlich hatten sie bloß Angst vor dir als Instinktwesen oder dem Lilithhaften. Und du warst viel zu schön. Die Männer aus der Kommune sind ja weder als die großen Feministen noch als wunderbare Erotiker in die Geschichte eingegangen.
Uschi: Das kann schon sein. Auf jeden Fall hat dieses Verhalten an meinem Selbstwertgefühl genagt. Ich war zwar damals schon erfolgreich als Model, habe daraus aber nie einen richtigen Selbstwert herausgezogen. Also dachte ich, ich bin einfach dumm. Der Kunzelmann hat mich richtig runtergemacht wegen meiner Modeljobs, wegen meiner imperialistischen Cola, die ich trank, und meinen kapitalistischen Mentholzigaretten. Ich würde die ganze Sache mit der Kommune und dem politischen Ansatz nicht ernst nehmen, ich bin ja nur das Fotomodell.
Anna: Das schönste Gesicht der Kommune …
Uschi: Das war auch nicht wirklich schwer … Aber ich war gerne Fotomodell, weil es mir eben Spaß machte. Ich bin ja immer nach meinem Herzen gegangen und nach dem Spaßfaktor. Das war für die aber eben unpolitisch oder eigentlich doch politisch.
Anna: Konterrevolutionär …
Anna: Es gibt aber ein Bild von dir, das ging damals durch die Presse und das wirkt sehr politisch. Wo du mit den verschränkten Armen und sehr entschlossener Miene vor der Polizei stehst.
Uschi: Das ist eins meiner Lieblingsbilder aus dieser Zeit, und diese Haltung auf dem Bild kam aus meinem tiefsten Herzen. Mir macht dieses Waffengeklirre keine Angst, soll das heißen. Ihr könnt kommen mit euren Uniformen und Schlagstöcken, ich rühr mich hier nicht weg. Ich bin ein freier Mensch.
Anna: Welche Rolle spielte dann Rainer Langhans in diesem Setting?
Uschi: Er sagte: Du bist nicht dumm, du weißt nur noch nichts! Und das hat mir geholfen. Das war der Schlüssel für mich. Ich wusste auf einmal, dass ich nicht zu so einem Schicksal verdammt war. Ich war auf einmal nicht mehr dumm, ich musste nur noch mehr Erfahrungen machen. Das ist ein gewaltiger
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