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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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für mich vorgestellt hatte, wäre für mich total abwegig gewesen. Programmierte Langeweile. Aber jede, wie sie mag.

Uschi und Bockhorn (© Franz Hug c/o Abendzeitung)

Bockhorn wurde allerdings immer unterschätzt und lange insbesondere von den Magazinen, die uns als Thema entdeckten, eher in die Ludenabteilung gesteckt. Das hörte sich wohl spannender an und sorgte bei den Lesern für den sanften Grusel. Uh, die Schöne und das Biest. Uns war es damals egal. Wir fanden es eher lustig, was die Presse da teilweise so vor sich hinfantasierte. Außerdem lebten wir neben gelegentlichen Modeljobs von mir von diesen Reportagen von unserem märchenhaften, abenteuerlichen Leben, die uns unsere Reisen ermöglichten, und natürlich auch Bockhorns Geld. Das war in der ganzen Zeit unseres Zusammenseins kein Thema. Mal hatte der eine viel, mal der andere. Da waren wir wirklich absolut gleich auf gleich.
    Was ich heute schade finde, ist, dass in der Öffentlichkeit gar nicht beachtet wurde, welches unglaubliche Charisma Bockhorn besaß. Im Nachhinein ist mir das wichtig, sein Bild von diesen Klischees zu befreien, die ihm die Presse damals anheftete. Genauso wie mir diese Etiketten »Groupie« oder »schönstes Gesicht der Kommune« heute zuwider sind. Natürlich war es uns damals egal, da standen wir drüber, haben darüber gelacht. Heute ist es schade, weil diese Bilder in den Köpfen der Leute fest zementiert sind. Sie wollten uns eben so sehen. Wie wir in Wirklichkeit waren, was uns bewegte, interessierte niemanden oder nur unsere Freunde.

Magier, Unterhalter, Suchender
    Bockhorn besaß keine Bildung im klassischen Sinn und hatte auch keine besondere Ausbildung genossen. Alles, was er konnte, hatte er sich selbst beigebracht, und er war zeit seines Lebens regelrecht geil zu lernen. So entwickelte er sich vom Kellner zum »In«-Kneipen-Besitzer, zum Ausstellungsmacher, zum Bus-Innenausstatter, zum Rajputenprinz, zum Biker, zum Fischer. Um all das zu lernen, umgab er sich mit intelligenten und hochtalentierten Leuten – neben den Banditen, die in seinem Gefolge herumstromerten – allein zu dem Zweck, sich weiterzuentwickeln und zu lernen. Er hasste es, sich zu langweilen, immer musste er etwas tun.
    Anfangs hatte er beispielsweise überhaupt keine Ahnung von Kunst, dabei war er später besessen von seinen Eigenkreationen, von Happenings, von Inszenierungen. Er hatte nie Angst, etwas Neues anzufangen oder darin zu versagen, auch wenn das vielleicht auf den ersten Blick »zu hoch« war. Er probierte es einfach aus. Seinen Lehrmeister fand er in Paul Penner, einem Antiquitäten- und Kunsthändler in Hamburg, dessen Wissen er förmlich aufgesogen und für sich vereinnahmt hat.
    Nein, Bockhorn war alles, eine faszinierende Persönlichkeit, ein Magier, aber sicher kein Lude, als der er in den Medien immer dargestellt wurde. Dafür war er nicht der Typ und viel zu independent, zu unabhängig. Es war vielmehr so, dass die Luden seine Nähe suchten, weil er so viel Farbe in ihr ödes Dasein brachte. Er konnte in den Nachtklubs von St. Pauli rauschende Partys feiern, inszenierte sonntags Gottesdienste im Café Adler mit einem mit Totenköpfen, Dolchen und Rosen geschmückten Buffet – alles ist vergänglich, auch ein Frühstück und eine Predigt –, »arbeitete« an seinen Installationen, sammelte Künstler um sich herum, die er im Café ausstellte, und flanierte nachmittags in asiatischer Seidencouture mit seinem Affen Cheeta auf der Schulter über den Kiez und hielt mit den Huren einen Plausch. Bockhorn war der wilde Kerl und konnte zugleich seine Wohnung mit Spitzendeckchen ausstatten und die wunderschönsten Blumensträuße pflücken. Weil er eine so wilde Mischung war und gleichzeitig so etwas Nobles ausstrahlte, kam er zu dem Etikett »Prinz vom Kiez«. Und das zu Zeiten, als der Kiez wirklich noch eine Parallelwelt zum anständigen Hamburg war, eine Welt voller Glamour, geheimer Regeln, Blutsbande und Ganovenehre, eine Welt, in der sich Künstler, Journalisten, Dichter, Huren, Luden, Dealer und Politiker wohlfühlten, eine Welt wie ein schillernder abseitiger Traum mit Menschen, die stolz darauf waren, hier zu leben, und die mit dem Abstauber-Abklatsch von heute nichts zu tun hatten.
    Anna: Wie ging es deinen Eltern mit ihrer berühmten Tochter? Waren sie jetzt stolz auf dich?
    Uschi: Nein, ganz im Gegenteil. Ich war eine einzige Pein, vor allem für meine Mama. Ich durfte nicht mal mehr Post nach Hause schicken, obwohl ich

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