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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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dort ja offiziell gemeldet war. Später, als ich dann im Ausland war, brauchte ich eine Heimatadresse. Die hätte ich gerne bei meiner Mama gehabt. Aber da hieß es bloß: »Nein, dann wissen die Nachbarn, dass du meine Tochter bist.« Da habe ich mir nur gedacht: »Danke schön, Mama.« Und ich habe mich bei einem Freund in Hamburg melden lassen.
    Anna: Waren das die Bilder von dir?
    Uschi: Ja. Nacktbilder. Da hat sie sich total geschämt, als ob es sich dabei um Pornografie gehandelt hätte. Etwas höchst Unanständiges.
    Anna: War ihr gar nicht klar, dass du mit einigen der besten Fotografen der Welt gearbeitet hast?
    Uschi: Nein, die waren ja auch unanständig. Alles sehr shameful.
    Anna: Aber du bist ja auch gelegentlich angezogen fotografiert worden. War ihr nicht klar, was für eine Wahnsinnskarriere du damals gemacht hast?
    Uschi: Das hat alles nichts gezählt. Dann habe ich ja auch mit den Kommunarden gelebt und war mit den größten Mütterschrecks zusammen. Wenn du dir das mal anschaust. Für jemanden, der eher aus einem ländlichen Gebiet kommt, mit diesem bayrisch-katholischen Hintergrund, dem wichtiger ist, was die Nachbarn denken, als das, was das eigene Kind glücklich macht. Da war das natürlich schon ein schweres Schicksal.
    Anna: Ständig halb bekleidet, Jointdreh-Anleitungen gebend und dann noch mit langhaarigen und/oder drogensüchtigen Jungs.
    Uschi: Und dann auch noch ständig in der Zeitung. Es war ja alles, was wir damals in der Kommune gemacht haben, und auch später mit Bockhorn ein Skandal. Du kannst dir gar nicht vorstellen, welche Angst die Leute damals vor uns hatten. Wir waren denen total unheimlich.
    Anna: Vorboten der Freiheitshölle.
    Uschi: Es wurde unglaublich viel negative Presse über uns gemacht und mit großer Lust aus all unseren Aktionen immer nur das Negative herausgezogen. Oder sie haben einen interviewt, und da hast du irgendetwas geäußert. Das wurde dann völlig außerhalb vom Kontext dargestellt und dir das Wort im Mund herumgedreht. Von wegen objektive Berichterstattung. Die hatten so eine Wut auf uns, was wir uns da erlaubten … Dass auch sie etwas davon haben würden und sich einiges zum Besseren in diesem Land gedreht hat, das sah keiner. Nur das Zerstörerische, Gewalttätige. Und ich natürlich immer noch schön als Aushängeschild, vorne drauf und nackt.
    Ursprünglich kam Bockhorn aus einfachen und wahrscheinlich ähnlich bedrückenden Verhältnissen wie ich. Sein Vater war nach dem Krieg Nachtwächter in einem Hotel, die Mutter Hausfrau. Die Atmosphäre bei ihm zu Hause muss wenig herzlich und warm gewesen sein. Und er wollte schon früh raus aus diesem Loch, in die große, weite Welt und unter Menschen. Gleich nach der Schule machte er deshalb eine Ausbildung in der Gastronomie. Er wurde Kellner. Das passte für ihn erst mal. Tatsächlich war er zeit seines Lebens ein begnadeter Gastgeber, und er war auf seine unvergleichliche Weise hoch begabt und mit einer enormen Menge an Talenten gesegnet. Bockhorn hatte ein unglaublich einnehmendes Wesen und lernte durch die Kellnerei mit seinen Gästen jede Menge Menschen kennen. Und Menschen, die waren immer seine Lieblingsobjekte. Doch das Kellnern allein war ihm nicht genug. Sein nächstes Ziel war: Er wollte im Umfeld von wirklich großen Menschen arbeiten und in Kontakt kommen, die ihn auf irgendeine Weise beeindruckten. Irgendwann hatte er es geschafft und bediente bei Banketten topseriös und mit perfekten Umgangsformen den damaligen Bundeskanzler Adenauer und die Politprominenz im Palais Schaumburg.
    Bockhorn war ehrgeizig, und was er sich vorstellte und zutiefst wünschte, gelang ihm meistens auch, in die Tat umzusetzen. Da er in Sachen Kellnerkarriere alles ausgeschöpft hatte aus seiner Sicht und er merkte, dass es auch nicht das Erfüllende war, zog es ihn als Nächstes nach Hamburg und in die damals legendäre Kneipenszene. Hier kam er nur mit einem Köfferchen und ein paar Habseligkeiten an.
    Mit Hilfe seiner guten Beobachtungsgabe und Menschenkenntnis hat er sich dann aber schnell in den Nepplokalen hochgearbeitet und richtig gut Geld verdient. Das brachte er dann unter die Leute. Natürlich mochte er Geld, weil er auch ein schönes Leben liebte. Aber er ließ immer auch andere daran teilhaben, die er dann bewirtete und regelrecht durchfütterte: An den Wochenenden flog er allerdings gelegentlich nach Paris, um sich bei Pierre Cardin Anzüge maßschneidern zu lassen. Das war seine dekadente Dandyphase,

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