Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
Wir konnten nicht aufstehen, kamen den ganzen Tag nicht aus dem Bett, waren völlig apathisch, es ging uns nicht gut, und es machte uns noch nicht mal Spaß. Da wir glücklicherweise unterwegs waren, merkten wir schnell, dass uns das Reisen selbst mehr brachte als die Droge. Für mich war es auch nie so schlimm, Abschied vom Heroin zu nehmen. Das habe ich meiner Selbstliebe zu verdanken und einer gewissen professionellen Disziplin. So hatte ich auch in der Zeit in Hamburg, als ich regelmäßig für Jobs gebucht wurde, aber auch regelmäßig auf Heroin war, immer den Gedanken im Hinterkopf: Wenn ich schon so viel Geld bei einem Job verdiene, haben meine Auftraggeber das Recht, mich in Topfit-Form zu haben. Diese Haltung habe ich im Nachhinein betrachtet wirklich meiner Mutter zu verdanken, dieser eingeborenen Urbayerin mit ihrer ziemlich preußischen Disziplin.
Wenn ich also nach einem länger zurückliegenden Trip schweißgebadet nach dem Treppensteigen in unserer Altbauwohnung im vierten Stock ankam und merkte: Mensch, ich komm hier kaum noch hoch, dann hat mich das zurückgehalten, wirklich richtig in die Sucht reinzufallen. Ich habe mich immer noch gespürt und hatte deshalb regelmäßig meine kleinen Entzüge. Die Eitelkeit und meine Eigenliebe spielten natürlich auch eine wichtige Rolle. Wenn ich wusste, dass ein Job anstand, dann nahm ich auch nichts. Oder wenn ich sonst Heroin dabeihatte, dann habe ich nur kleinste Portionen genommen.
Wir verletzen uns alle, …
… mit der einen oder anderen Droge, wenn wir jung sind. Aber schon allein der Akt, mir eine Nadel zu setzen, das ging gar nicht. Ich habe wirklich alles ausprobiert, was es an bewusstseinserweiternden Experimenten so gibt – Drogen, Liebe, große Gefühle, großartige Reisen, ein Leben wie im Märchen und auch wie im schlimmsten Albtraum –, aber ich habe mir nicht ein einziges Mal einen Schuss gesetzt. Das ging mir zu weit über meine persönliche Schwelle der Selbstverletzung. Da war eine unsichtbare, aber ganz deutlich spürbare Grenze, ein Limit da. Und eben immer der Hintergedanke: Du hast einen Beruf, den du liebst und den du weitermachen willst. Bleib schön, bleib gesund.
Ich habe leider erlebt, wie manche andere Models, wirklich schöne und charismatische Frauen, in der Sucht hängen blieben und nicht aus ihr rauskamen. Die waren sicher auch eitel und wollten sich ihre Schönheit erhalten und am Leben bleiben, haben es aber letztendlich nicht geschafft. Ich erinnere mich an ein jüngeres Model, das noch als junge Frau an einer Überdosis starb.
Aber selbst wenn jemand starb, dann hieß das für uns nicht, dass wir etwas an unserem Leben änderten. Wir waren so jung, so arrogant. Das konnte uns doch nicht passieren. Wenn jemand den Drogentod starb, so traurig das sein mochte, mit uns hatte das doch nichts zu tun. Ich denke, dass alle jungen Menschen so sind, und das gehört auch zum Jungsein dazu. Du denkst nur an dich, willst fun haben, willst das Leben spüren. Und du bist unverletzbar.
Trotzdem brachte es einen kurz raus. Als dieses Model starb, war das natürlich für mich furchtbar. Sie war so jung und schön gewesen und nur so kurz da. Da hatte der Selbstschutz ausgesetzt. Natürlich hatte jeder von uns damals die Chance, grandios abzustürzen, und vielen ist genau das passiert. Mit den Drogen kam die Gefahr ins Leben. Aber wir dachten eben, wir wären unverwundbar, und Hauptsache: immer mittendrin. Alle behaupteten aber, sie hätten es in der Hand, das waren jedoch nur einige wenige. Ich kenne drei Menschen, von denen ich weiß, dass sie es wirklich im Griff hatten. Und selbst die hatten immer ihre Probleme und Kämpfe.
Anna: Mit Drogen löst du alle Grenzen auf. Wie wichtig sind Grenzen?
Uschi: Wichtig. Ein Beispiel: Wenn ich mir die Kindererziehung bei einigen Freunden ansehe, sehe ich da einen Trend. Ohne Grenzen geht es ins Maßlose, total Unkontrollierbare, und damit wird keinem ein Gefallen getan. Weder dem Kind noch den Eltern. Für einen selbst sind Grenzen auch wichtig, sonst besteht die Gefahr, dass die Sucht dich in den Griff kriegt und nicht andersherum. Das sollen aber keine Grenzen sein, die beschneiden, beengen, sondern solche, die schützen.
Anna: Du hast mit Heroin also Grenzen pulverisiert. Kaum jemand schafft es, sich der Sucht zu entziehen.
Uschi: Wenn dir beim Treppensteigen allerdings schon der Schweiß ausbricht, dann weißt du, dass das alles vielleicht nicht ganz so guttut, sondern dich auch
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