Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
dachte mir, dass ich doch nicht für etwas werben kann, das ich noch nicht mal benutze. Das war absolut uncool. Nein, ich hatte einfach meinen Standard und wollte mich von nichts und niemandem verramschen lassen. Mir war es oft auch viel wichtiger, mit meinen Freunden zusammen zu sein, als an meiner Karriere rumzubasteln.
Doch jetzt waren wir an unserem vorläufigen Ende angelangt. Nach unserem dritten Winter in Baja waren 20 000-Mark-Jobs in weiter Ferne, und nun sollte auf einmal alles – unsere Existenz – an mir hängen bleiben, während Bockhorn nicht einen Strich an seinem Leben ändern wollte. Die Gewichte hatten sich verschoben. Früher war es immer ein gegenseitiges Geben und Nehmen, jeder hat für den anderen gesorgt. Dass er auch diesen Gedanken aufgegeben hatte, war bitter.
Er wollte also alles mir überlassen. Das wollte ich aber nicht. Ich will nicht die totale Verantwortung. Ich übernehme Verantwortung für mich und als Paar, aber gleichwertig wie mein Partner, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich mag diese Verschiebungen nicht oder wenn solche Grenzen von »Ich« und »Du« verschwimmen. Da verliere ich mich, meine Persönlichkeit, ja, in der Kommune hätten sie gesagt: mein »Ego«. Ist aber so, da stehe ich dazu. Damals wurde ich plötzlich, weil ich das Geld verdient habe, zur Mama der Kommune. Ich will aber nicht die Mama von anderen erwachsenen Menschen sein, ich will Nasengleichheit bei der Aufgabenverteilung. Für mich muss auch niemand sorgen. Ich freue mich, wenn jemand etwas für mich tut aus freiem Herzen und weil er mich mag oder sogar liebt. Aber er muss keine Verantwortung für mich übernehmen. Ich übernehme dafür auch nicht alle Verantwortung für einen anderen – nur für mich selbst, da muss ich es machen. Deshalb liefen auch diese Bhagwan-Geschichten bei mir nicht, auf die damals in den Siebzigern viele Freunde von mir abgefahren sind. Das Aufgehen in der Gemeinschaft, jeder für jeden, mit jedem. O nein, danke. Klar, ich hätte auch gerne – wie jeder wahrscheinlich – einen Überpapa, der alles regelt und alle Verantwortung übernimmt. Ist ja auch einfacher. Obwohl, so einen Überpapa muss man dann auch aushalten. Ich weiß tief in mir, dass es das nicht gibt. Das ist ein Kindertraum. Aber du kannst nicht jemand anderem die Verantwortung für dich und dein Leben überlassen. Das geht nur für dich selbst. Es ist zwar mühsam, aber den Job übernehme ich selbst.
Vielleicht lag Bockhorns völlige Müdigkeit und Antriebslosigkeit am Ende seines Lebens und dass er die komplette Selbstverantwortung abgegeben hatte, auch daran, dass er immer von zwei Seiten gebrannt hatte mit diesem in jeder Hinsicht intensiven Leben. Jeden Tag ein lichterloher Brand. Dann war es mit einem Schlag aus. Er war nicht mehr bei sich. Und ich verlor mit jedem Tag, den ich mir das Ganze anschaute, meinen Respekt vor ihm.
Manchmal nimmt das Leben merkwürdige Wendungen, …
… d ie man erst im Nachhinein versteht und die so irgendwie logisch werden. Als ob bestimmte Ereignisse eintreten mussten, damit sich etwas weiterentwickelt. In dem Jahr, bevor Bockhorn für immer ging, war meine Liebesgeschichte mit Keith wieder aufgeflammt. Ich hatte ihn, seit ich mit Bockhorn nach Indien abgehauen war, acht Jahre nicht gesehen. Zufällig höre ich also, dass Keith sich in dem Twin-Dolphin-Hotel aufhält, am Ende der Welt. In Baja gab es damals gerade mal drei Hotels, weiße Sandstrände und desert meets the ocean, das, was uns immer so anzog, ein Naturparadies.
Keith wollte Urlaub machen und ahnte nicht, dass ich gleich nebenan war. Er war fest davon überzeugt, dass ich auf unserer Indienreise gestorben war, und litt damals wohl ziemlich. Meine Freundin Gabi wirft mir bis heute vor, wie er heulend im Hotel Vier Jahreszeiten in München saß. Er war extra noch mal angereist, um mich zu treffen. Ich wusste das aber gar nicht und hatte mich auch nicht weiter um einen Kontakt mit ihm gekümmert, weil ich mich ja nun ganz und gar für Bockhorn entschieden hatte.
Wir hatten also in Baja mit Freunden unsere Abschiedsparty, weil wir anschließend aufs Festland wollten. Der Bus und alles war gepackt. Wir saßen am Lagerfeuer, und plötzlich kam Keith daher mit seiner Gitarre, und als wir uns ansahen, war es so, als ob du Benzin in ein Feuer gießt. Das war’s.
»There was something about her that got to me.«
Keith Richards
Bockhorn wusste, dass die Beziehung zu Keith immer etwas Besonderes für mich war
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