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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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Schutzengel, denn eine Bekannte wurde in Marokko zweimal vergewaltigt. Aber so tragisch das ist: Das ist das Jungsein. Du testest. Nur Ratschläge zu bekommen, das bringt gar nichts. Du musst es verstehen lernen, warum du etwas machst oder nicht machst. Und das geht nur, wenn du es an der eigenen Haut gespürt hast. Wenn dir zum Beispiel jemand sagt: »Lass die Finger davon, davon wird dir schlecht«, dann ist das gar nichts. Weil du es nicht gespürt hast, auch nicht das anschließende Würgegefühl – nur so kannst du es lernen, die Finger von etwas zu lassen oder erst recht Hand anzulegen. Du kannst dich natürlich auch aus allem heraushalten. Aber was für ein Leben ist das?
    Anna: Sieht so Charakterbildung aus?
    Uschi: Charakter ist, wenn du echt bist, ein Leben vorzuzeigen, das ein wirkliches Leben ist, und loyal zu deinen Werten oder Freunden stehst. Wenn du dich etwas traust, obwohl du vielleicht Angst davor hast und dich trotz Angst etwas traust – und wenn du dich gegen Ungerechtigkeit und Falschheit einsetzt und dafür aufstehst. Ich wünschte mir, dass es mehr Menschen gäbe, die so denken. Bei manchen Jüngeren hat man teilweise das Gefühl: alles uniform. Es gibt nur noch Fakes und Trends und Fashion. Aber keinen Inhalt dahinter, es sagt nicht wirklich etwas aus. Alle tun nur so, als ob … Lauter Faker. Dazu drehen sie sich wie die Fähnchen im Wind. Es ist einfach, sich immer nach dem Wind zu drehen. Aber da zu stehen und seine Meinung zu vertreten, das ist Charakter. Aber klar, es gibt auch tolle junge Leute, die für sich einstehen. Wenn ich das sehe, habe ich das Gefühl, es geht weiter. Das gibt mir Optimismus.

Selbstliebe
    Auch bei Bockhorn hat die Selbstliebe irgendwo und irgendwann aufgehört. Dabei gab es kein bestimmtes Momentum, keinen Auslöser. Eine Zeit lang überlebte er irgendwie und dann – aus. Seine Liebe zu sich selbst war irgendwann erloschen wie eine Kerze. Er fing an, seine Sachen zu verschenken, alles einfach so. Unser Freund Mikee, ein Trucker und Biker und lieber Kerl, der seine Winter auch in Baja verbrachte und ganz nebenbei sehr verliebt in mich war. Natürlich heimlich, das hätte er sich nie getraut, Bockhorn gegenüber zuzugeben. Mit ihm trieb sich Bockhorn tagsüber rum, trank mit ihm und schrottete zum Spaß Autos in den Dünen. Irgendwann überreichte er dann Mikee sein Schwert mit dem Adlerkopf. Das hatte er aus der Türkei mitgebracht und war ihm heilig, es war sein Ein und Alles.
    Jetzt hatte er nur noch seinen nervenden Kampfhahn Emiliano, benannt nach Emiliano Zapata, dem mexikanischen Freiheitskämpfer. Der hat das ganze Camp genervt, wenn er morgens um vier Uhr schon das Schreien anfing.
    Es war ein Elend, das alles mit anzusehen. Bockhorns Depressionen wuchsen ins Unendliche und machten mir Angst. Immer wieder sprach er davon, dass er gerne noch mal ganz von vorne anfangen würde, ganz von vorne als Kind, und ich sollte auch wieder Kind sein. Er war so unglücklich. Und dann wieder der Rückfall in die ewig alten Heldengeschichten, die ihm selbst schon über waren.
    Zum einen war es für mich eh nicht leicht, damit klarzukommen, dass es immer weniger wurde mit den Jobs. Für jedes Model ist das der kritische Moment, wenn man nicht mehr so gefragt ist. Wie geht es weiter, wenn man seine Schönheit verliert, dein Appeal kein oder nur noch wenig Geld wert ist? Was gibt es in deinem Leben, was dich wirklich ausmacht? All diese Fragen kreisten damals mehr oder weniger intensiv in meinem Kopf, aber ich hatte immer noch die Hoffnung, dass es weitergehen würde mit uns. Wenn er nur wieder seinen Antrieb fände, dann würde ich auch alles dafür tun, damit es für uns weiterginge.
    Schlimm war aber auch, dass ein Mensch, der behauptete, mich über alles zu lieben, mich plötzlich in so eine Kategorie von Käuflichkeit steckte, das war echt zu viel. Ich sollte mich für billige Blätter ablichten lassen. Das ging aber gegen mein Selbstverständnis und meinen Selbstwert, und ich war wütend auf ihn, dass er seinen Stolz so weit verloren hatte. Ich war immer stolz darauf gewesen, dass ich mich fotografieren ließ. Das machte Spaß und tat meinem Ego gut. Aber ich bin nie, nie irgendeinem Job hinterhergehechelt und habe sogar Sachen abgesagt, die lukrativ gewesen wären, aber für mich nicht passten. Ich kann mich an einen Job erinnern für einen Deodorant-Hersteller. Der hätte mir damals 20 000 Mark geboten. Das war eine irrsinnige Summe Geld zu der Zeit. Aber ich

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