Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
hätte weitergeben können. Er hätte es sich vielleicht auch so gewünscht, dass alles einmal so kommen würde nach den Reisen. Ein ruhigeres Leben. An dem Tag, an dem irgendetwas in ihm gesagt hatte, dass er nicht mehr weiterlernen wollte, war sein Leben vorbei.
Als ich Uschi frage, ob sie Life , die Biografie von Keith Richards, gelesen hätte, antwortet sie nur: »Ja, zur Hälfte.«
»Warum, das ist doch ein großartiges Buch?«
Sie lächelt: »Er hält es halt so wie viele Politiker: Why ruin a good story with the truth?«
Unser ungeborenes Kind
Trotzdem habe ich mir auch lange nach unserer Zeit immer wieder Vorwürfe gemacht und mir gedacht: Wenn wir wirklich sesshaft geworden wären und ein Kind gehabt hätten … Aber das sind Gedankenmühlen, die soll man sich nicht reintun.
Außerdem, wenn ich ehrlich bin, wollte ich kein Kind. Ich hatte noch nie das Bedürfnis, außer ganz am Anfang unserer Beziehung. Es war aber erst einige Jahre später auf der Indienreise, dass ich schwanger wurde. Das Kind verlor ich, worüber ich sehr traurig war. Dieses Kind hatte ich gewollt und mich auf es gefreut … Aber wahrscheinlich war auch das wieder eine Art höherer Fügung. Ich habe mir so viele Gedanken darüber gemacht: »Ich bin doch so gesund wie ein Bär, wieso soll mir ein Kind weggehen?« Vielleicht war es aber nicht wirklich mein Herzenswunsch, es war wegen Bockhorn, und dann wollte ich das Kind auch.
Heute denke ich auch, dass es noch einen anderen Grund gegeben hat, der weniger mit Schicksal, sondern mit Ärztepfuscherei zu tun hatte. Als ich etwa achtzehn Jahre alt war, wurde ich von meinem ersten Freund schwanger. Mir war gleich klar, dass ich dieses Kind nicht haben wollte. Ich wäre vielleicht im selben Film wie meine Mutter aufgewacht … Mein Freund versprach mir, mich zu begleiten. Wer dann nicht kam, war er. Ich machte mich also allein auf den Weg in diese Arztpraxis, und es folgte eines der grauenhaftesten, demütigendsten und schmerzvollsten Erlebnisse meines Lebens. Ich hatte einen richtigen Blutsturz erlitten, weil ich vorher die Pille danach genommen hatte. Also ging ich blutend zur Tankstelle bei uns in der Nähe, weil da eine Telefonzelle war. Ich wollte mir ein Taxi rufen. Als es eintraf, wurde ich im Wagen wirklich ohnmächtig. Im Krankenhaus war ich dann wieder wach und bekam alles mit, ein Höllentrip. Die Ärzte, die den Eingriff durchführten, ließen mich richtig leiden, als ob sie mich für meine Sünde bestrafen wollten. Mein Vergehen, vorehelichen Sex gehabt zu haben … Spaß gehabt zu haben. Ich hatte mir die Entscheidung gegen das Kind damals nicht leicht gemacht. Aber es war der falsche Zeitpunkt, das falsche Leben. Was dann kam, waren die schlimmsten Schmerzen, die ich je hatte. Es gab keine Narkose, keine Schmerzmittel. Es fühlte sich an, als ob sie mit einem Messer durch meinen Bauch wühlten. Dazu die Geräusche, das metallische Klappern von Geräten, dumpfe Stimmen. Ich war halb ohnmächtig vor Schmerz, als mich einer tatsächlich fragte, ob ich katholisch oder evangelisch sei. Es war trostlos. Nicht ein Funke Mitgefühl, dafür Strafe und Schmerz und Schuld.
Danach weiß ich nichts mehr, alle Erinnerungen sind gelöscht. An diesem Tag wurde etwas in mir zerstört. Ein Stück von meinem Körper, der kein Kind mehr in sich wachsen lassen konnte.
Sicher hätte in der Nachschau mein Leben anders ausgesehen mit einem Kind. Und trotz der schmerzhaften Erinnerungen, die mit dem Verlust verbunden sind, bin ich eigentlich auch ein bisschen erleichtert, dass alles so gekommen ist. Ein Kind ist eine wahnsinnige Verpflichtung. Es ist vielleicht ein nicht ganz passender Vergleich, doch das sehe ich schon an meinen Hunden.
Aber wie immer: Es passiert alles stets genau richtig in meinem Leben, auch wenn ich es nicht gleich sehe. Im Rückblick sage ich immer: Es hat alles seine Richtigkeit. Das ist auch irgendwie schön und versöhnt mit dem Schmerz. Ich liebe mein Leben, weil alles zum richtigen Zeitpunkt kommt. Ich musste zwar durch die harten Zeiten, musste mir Dinge erarbeiten, aber es kommt immer irgendetwas, es geht immer weiter, und das, was passiert, ist nicht immer rosig, hat aber einen Sinn. Mein Leben ist ein rollercoaster, eine Achterbahn. Das war schon immer so und wird auch immer so sein.
Zum Glück hatte ich auch in dieser Zeit Halko, der mir sehr geholfen hat. Auf der anderen Seite denke ich heute, ich lag mit meinen Instinkten sehr richtig, dass ein Kind ein
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