Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
zweischneidiges Schwert gewesen wäre. Ein Mädchen wäre die Prinzessin gewesen, die hätte Bockhorn von vorne bis hinten total verwöhnt. Aber wenn es ein Junge geworden wäre, hätte ich richtig Sorgen gehabt, denn der hätte sich nicht frei entwickeln können. Der hätte so sein müssen wie er. Irgendwo wusste ich das, und davor hatte ich Angst. Aber das sind alles Spekulationen, die man eigentlich sein lassen sollte. Diese Zeit ist vorbei.
Dabei hatte Bockhorn tatsächlich einmal einen Sohn gezeugt. Allerdings hat er zu seinen Lebzeiten nie von diesem Kind erfahren. Auf seiner Afrikareise hatte er damals eine Lehrerin kennengelernt, die in Nairobi Englisch unterrichtete. Sie hatten eine Affäre, und er reiste irgendwann weiter. Die Frau meldete sich nie mehr bei ihm und zog den Sohn, mit dem sie seit ihrer Begegnung mit Bockhorn schwanger war, später allein groß.
Als mir Joel, so hieß der Junge aus dieser Beziehung, 2007 einen Brief schrieb, dass er Bockhorns Sohn sein, war ich zuerst skeptisch: »Hi, I’m Joel Pennington, I’m the son of Catherine Pennington and Dieter Bockhorn.« Da fiel mir erst einmal die Kinnlade runter. Wie gibt es das denn? Dann habe ich aber trotzdem Kontakt mit ihm aufgenommen, und wir haben gesprochen. Er meinte, es hätte ihn lange nicht interessiert, wo er herkommt und wer sein Vater wäre. Aber er hätte jetzt selbst eine Freundin, mit der es ernster wurde und mit der er eine Familie gründen wollte; und da wollte er doch mehr über seine Wurzeln wissen. Schon seit Jahren hätte er versucht, irgendjemanden ausfindig zu machen, der ihm etwas über Bockhorn erzählt. Er war sogar in Hamburg, hat dort aber niemanden gefunden, und es kam nichts dabei heraus. Plötzlich hat er in irgendeiner Zeitschrift einen Artikel über mich gesehen, und da tauchte auch Dieter Bockhorn auf. Er hat sich das übersetzen lassen und dann versucht, mich zu finden. Was damals schwierig war, da ich ja nirgendwo gelistet bin. Er hat dann sogar versucht, über eine Detektei etwas herauszufinden, und kam da auch zu keinem Ende. Mit seinem letzten Versuch hat es dann geklappt, und er hatte meine Adresse und schrieb mir den Brief.
Bella
Nur kann ja rein theoretisch jeder so etwas von sich behaupten, und ich war also ein bisschen misstrauisch. Irgendwann haben wir telefoniert, und von da an war mir klar, dass die Story stimmen musste. Und zwar meinte er, dass seine Mutter dem Bockhorn nie gesagt hätte, dass sie ein Kind von ihm bekommt, weil sie Angst davor hatte, dass er so stark wäre und ihr das Kind nehmen könnte. Da wusste ich, die Story stimmt. Die kannte ihn wirklich, den Bockhorn, und hat lieber die Mühe auf sich genommen, den Jungen ganz alleine großzuziehen.
Joels ältere Tochter wurde dann an Bockhorns Geburtstag, am 2. Juli, geboren, und er fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn sie sie Uschi nennen würden. Ist das nicht wahnsinnig? Jetzt habe ich praktisch auch ein grandchild, wenn auch nicht von der Blutlinie her, aber es ist wirklich da. Das hat mich gerührt und geehrt, und so bin ich auf wunderbare Weise auch noch Omi geworden, Omi Uschi. Es ist toll, denn so schließt sich wieder ein Kreis. Obwohl ich nicht wirklich weiß, was man als Oma so tun soll. Aber der Mensch wächst mit seinen Aufgaben …
Im Mai 2013 fährt Uschi zu Joel und seiner Familie. Seine Frau Nerinda und er haben mittlerweile zwei Mädchen, und laut Uschi ist Joel ein toller Vater und sorgt auch fürsorglich für Omi, wenn sie in Austin zu Besuch ist.
Letzte Ruhe, letzte Riten
Bockhorns und meine Zeit war also zu Ende, und ich hätte der einsamste Mensch auf der Welt sein müssen. Aber ich hatte zu dieser Zeit wie auch später in meinem Leben immer das Glück, dass ich umgeben war von Freunden. Freunden, die mir geholfen haben mit einem guten Wort, auch mit Geld, wenn es nötig war. In solchen Situationen, die dich an deine Grenze bringen, zeigen sich die wirklich guten Freunde. Das ist ein Schatz.
Sie halfen mir dabei, Bockhorn zur letzten Ruhe zu betten oder wie man dazu sagt. Mir war es wichtig, dass er mit einem richtigen Ritual bestattet wurde. Es war Sonntag, und alle halfen mit, seinen Körper in unser Tipi zu bringen. Das ganze Dorf hat dabei mitgearbeitet. Bockhorn war bis zum Schluss so beliebt bei allen gewesen. Sie umwickelten seinen verletzten Kopf, damit ich ihn nicht sehen musste, und ich legte mich nachts zu ihm ins Zelt, um ganz nah bei ihm zu sein. Das war bitter traurig, und ich
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