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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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so kurz wie möglich gestaltet werden. Ein derartiger Leitstrahl stand zwar nur höchsten Stellen der Administration zu, aber Gwen spielte seine augenblickliche Rolle aus.
    Sie wurden dann auch höflich empfangen und standen wenig später dem Chefarchivar gegenüber, einem alt wirkenden Mann, geradeso, wie man sich landläufig einen Archivar vorstellt.
    Hal mußte bei seinem Anblick unwillkürlich grinsen, was ihm einen mittleren Rippenstoß von Djamila einbrachte.
    Der Archivar war ein Mann, an dem die letzten hundert Jahre unbeschadet vorübergegangen zu sein schienen. Er ging gebeugt, trug eine vorsintflutliche Brille und eine von grauen Strähnen umgebene Glatze. Dazu hatte er listige, behende Augen, einen Mund wie einen Strich, und es hätte Hal keineswegs gewundert, wenn bei seinen Bewegungen Staub aus dem Körper aufgestiegen wäre.
    Ebendieser Mann versuchte, sie wenig später, als sie in einem mit Möbeln überladenen finsteren Raum Platz genommen hatten, geschickt abfahren zu lassen. Er fragte lang und breit nach den Wünschen, obwohl sie sich detailliert angemeldet hatten, dann holte er zwei zehn Zentimeter starke, zwischen verbogenen Pappdeckeln eingeschnürte Bündel hervor, die aus losen Blättern bestanden, welche eingerissen und vergilbt zwischen den Deckeln hervorlugten, ein Zeichen wohl, daß sie vor langer Zeit gebündelt und öfters umgelagert worden waren.
    Hal machte verstohlen einen langen Hals, um die ausgeblichenen Buchstaben auf dem Deckel zu lesen. Er glaubte die Worte »top secret« zu erkennen. Aha, dachte er belustigt.
    Jedenfalls gab der Alte die Papiere zunächst nicht heraus.
    »Es war eben ein militärisches Laboratorium«, sagte er. »Es kam darauf an, damals, zu versuchen, immer ein paar Unzen mehr in der Hinterhand zu haben, zur Störung des Gleichgewichts!« Er lächelte. Offenbar freute er sich über seine Metapher. »Und die Leeward-Islands lagen günstig, nicht weit vom amerikanischen Festland, in der Nähe von Kuba, das ja der erste Staat war, der dort ausbrach.«
    Hal fragte sich, wie jemand heute zu einer derartigen Wortwahl kam. Wie er es sagte, klang es, als bedauere er diesen Tatbestand – obwohl es allerhöchstens seinem Urgroßvater etwas bedeutet haben konnte.
    »Gestatten Sie?« fragte Gwen und griff forsch nach der obenliegenden Schwarte.
    Er gestattete nicht. Er schob die Bündel wie zufällig aus Gwens Reichweite. Dann fragte er etwas Akzeptables: »Was bedeutet Ihnen der Zweck, dem diese Inseln dienten?«
    »Und was bedeutet er Ihnen, daß wir ihn nicht erfahren sollten?« fragte Gwen mit Schärfe in der Stimme zurück.
    Während Hal schon bereit war, die vier Stunden, die der Ausflug nach London kosten würde, zu verschmerzen und unverrichteterdinge wieder abzuziehen, schien Gwen eine Kraftprobe veranstalten zu wollen. Er zog zunächst seinen UNO-Ausweis und hielt ihn Mister McOld, wie sich der Archivar vorgestellt hatte, unter die Nase. Als Gwen die Musterung des Papiers zu lange dauerte, sagte er: »Ich möchte mit der Kanzlei Ihres Premiers telefonieren, Sie gestatten!« Und er griff zum Telefon.
    Erst jetzt wurde McOld munter. Er setzte ein Gesicht auf wie einer, dem ein unangenehmer Geruch in die Nase steigt, und schob Gwen die Schwarten zu. Dann sagte er ölig: »Sie können sich in den Lesesaal zurückziehen«, was sie dann auch ohne weitere Konversation nur zu gern taten.
    Hal gestand sich ein, daß er trotz des merkwürdigen Gebarens dieses fossilen Mannes auf den Inhalt der Schwarten nicht sonderlich gespannt war. Schließlich hatte es mit der Aufgabe herzlich wenig zu tun, was seinerzeit die englischen Militärs auf diesen Leeward-Islands getrieben hatten. Er schnüffelte deshalb – gemeinsam mit Djamila – auch ziemlich lustlos in dem ersten Folianten zwischen alten Lageskizzen, Rechnungen über erhaltene Verpflegung, Dienstplänen und anderem herum.
    Das Zeug roch!
    Gwen schien Interessantes gefunden zu haben. Er hielt sich bei einigen Schriftstücken länger auf, pfiff mehrmals durch die Zähne, schließlich rief er: »Aha!«
    Hal und Djamila sahen auf, und Hal fragte: »Hm?«
    »Eine Giftküche war das!« erklärte Gwen. »Gase, Nervengase und anderes von dem giftigen Dreck haben sie entwickelt und produziert. Pfui Teufel!«
    Hal glaubte plötzlich, den alten Archivar zu verstehen in seinem Zögern, das alte Zeug auszuhändigen. Er schämt sich, dachte er, schämt sich für seine Vorfahren! Und da war wohl ein beträchtliches Stück gepflegter

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