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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sie eindringlich fort: »Wenn du dich über diese Riesenwelt lustig machst, bringst du die gesamte Expedition in Mißkredit, jawohl. Und die Mannschaft der ›Ozean I‹ dazu! Jetzt, nachdem du der Leiter bist, darfst du dir so etwas gleich gar nicht leisten!« Gela dachte an Harold, der stets umsichtig vorging, der sich eher zurückhielt, als vorschnell vorzuprellen.
    Plötzlich überfiel sie die Erinnerung: Sie sah sich mit Harold Hand in Hand auf einem Spaziergang in der vertrauten Umgebung der Stadt, auf ihren Pfaden, wie sie es nannten, einige Tage vor seinem Aufbruch. Gela war der Tag auch deshalb plastisch in Erinnerung geblieben, weil es jener war, an dem sie erfolgreich ihre Befähigung als Explorer-Ingenieur verteidigt hatte, eine Prüfung, die sie Harold auch fachlich näher brachte.
    Ein Freudentag für beide… Gela hörte Harold sagen: »Ich passe bestimmt auf mich auf. In zwei Jahren sind wir wieder hier und wir bringen für Generationen Aufgaben. Die Makrowelt wird heilsam für uns. – Leicht wird’s nicht. Aber wir schaffen es gemeinsam!« Und er hatte sie und sich dabei angetippt. Und Gela empfand das Warten auf die Funkbrücken nach, die immer schwerer zu schlagen waren, erinnerte sich der Freude, als die »Ozean I« endlich nach langer Irrfahrt glücklich gelandet war, dann kamen die Nachrichten verzerrt, gestört, es herrschte erhöhte Sonnenaktivität, und als diese vorüber war, kam nichts mehr…
    Auch nach drei Jahren hatten sie noch nichts gehört, blieb die »Ozean I« verschollen.
    In Gelas Gedanken drängte sich erneut ein Bild. Sie sah, wie sich andere freuten über die bestandenen Prüfungen, sah sich selber über den Platz vor der Akademie gehen, die Berufung zur Mannschaft der »Ozean II« in der Tasche, aber selbst freudlos, nur von dem grimmigen Wunsch beseelt, es dieser unheimlichen, menschenfeindlichen Makrowelt zu zeigen, ihr die Geheimnisse, auch die um die »Ozean I«, um das Schicksal Harolds, zu entreißen.
    »Was glaubst du, was das vorhin wohl gewesen sein könnte?« fragte Chris. Er war stehengeblieben und erwartete sie.
    Jäh war Gela aus ihrer Erinnerung gerissen. Sie benötigte einen Augenblick, um sich wieder in die Wirklichkeit hineinzufinden und zu begreifen, daß Chris jene grünlichen Zylinder meinte, die über den Stubben geschwebt waren, mit den abscheulich großen, dunklen Platten.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie ein wenig befremdet, weil sie auf ihre Vorhaltungen eine andere Antwort von Chris erwartet hätte. »Vielleicht ein Tier? Aber wahrscheinlich gibt es hier Erscheinungen, die das Vorstellbare überschreiten, die wir erforschen müssen.« Das letzte sagte sie ohne Überzeugung.
    Der kurze Aufenthalt in dieser Welt, die vielen und vor allem gefährlichen Erlebnisse hatten in Gela die Hoffnung, etwas über den Verbleib der »Ozean I« zu erfahren, zusammenbrechen lassen, zumal sie an einer völlig anderen Küste gelandet waren. Und damit war auch das kleine Fünkchen Erwartung, Harold könnte trotz allem noch am Leben sein, an diesem einen Tag erloschen.
    »Ich bin fast überzeugt, das war einer«, wieder sagte es Chris in ihre Gedanken hinein. Wieder mußte sie sich konzentrieren.
    »Was – einer?« fragte sie, dann aber rief sie überrascht:
    »Nein, das ist doch nicht möglich!«
    Chris blieb abermals stehen. »Was sonst?« fragte er zurück.
    »Dann waren die Säulen die – die Waden und die Platten, da wären die Platten die Schuhe«, rief Gela laut. »Unvorstellbar!«
    Albern, dachte sie. Warum eigentlich nicht. Die Relationen stimmten.
    Und plötzlich fühlte Gela eine Bangigkeit in sich aufsteigen: Wie sollen wir das bewältigen? Wie überhaupt einen Kontakt ermöglichen?
    Mit diesem Gefühl kam aber noch ein anderes, eine Art Bewunderung: Chris, was ist das für ein Mensch. Hat so eine Vermutung und kann damit so ruhig bleiben, so als sei es das alltäglichste. Entweder hat er kein Gefühl oder fühlt nicht so wie andere – aber das kann auch nicht sein. Gela dachte an die Blicke, die er manchmal, dann, wenn er annahm, daß sie es nicht bemerkte, auf sie richtete, zärtliche Blicke… Oder er hat Nerven wie Stahlseile. Auf jeden Fall wich von ihr das Mißtrauen, das ihr einige seiner Reaktionen, zum Beispiel während des Fluges, eingegeben hatten. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen wie, ja, wie sie sich als Kind zu ihrem Bruder Sinclair hingezogen fühlte, wenn er sie gegenüber rüden Spielgefährten verteidigte. Aber gleichzeitig genierte

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