Expedition Mikro
es auch damit zusammen, daß Karl Nilpach, der sonst so Muntere, einsilbig geworden war und niedergeschlagen schien.
Und Gela dachte an Chris, an den Auftrag und eigenartigerweise erst zuletzt an Harold – und an ihn nur in dem Zusammenhang, daß sie in dieser ausweglosen Situation nicht kapitulieren wollte, mit dem festen Willen, sein Schicksal nicht zu teilen.
Am Morgen nach der Havarie erkletterte Gela einen hohen schlanken Halm, der über die Nachbargewächse weit hinausragte. Die Krone, bestehend aus einer Vielzahl eng an dem Stamm anliegender Zweige, die nach oben zu einem Büschel auseinanderstrebten, schwankte beträchtlich.
Gela hatte keinen guten Ausblick. In der Nähe standen gleichartige Halme, die, noch verstärkt durch das Schwanken, die Sicht beeinträchtigten. In größerer Entfernung sah sie einige Stämme der Riesenbäume und – bei dem Anblick schlug ihr Herz schneller – einige Wurzelstöcke frisch abgeschnittener Bäume. Sollte einer davon…? Und wenn, welcher?
Sie war sich darüber im klaren, daß selbst der Marsch zum nächstgelegenen – sie schätzte die Entfernung auf drei Meilen – bei dem Gelände einige Tage dauern konnte. Auf jeden Fall prägte sich Gela die Richtung dorthin ein, bevor sie sich leicht enttäuscht den Halm wieder hinuntergleiten ließ.
Karl Nilpach arbeitete verbissen in der Nähe des Hubschraubers. Er hieb Stücke aus den langen Gräsern und legte sie auf den Boden vor die Maschine. Der Untergrund war noch aufgeweicht, und beim Herausspringen aus der Kabine klebten jedesmal bis kopfgroße Klumpen und Steine an den Füßen.
»Karl«, sagte Gela, sobald sie nach der Kletterei wieder zu Atem gekommen war, »versuche bitte, aus dem Kursschreiber und aus der Erinnerung heraus, auf die Lage unseres Stubbens zu schließen.«
Und als Karl Nilpach nur nickte, aber keine Anstalten traf, irgend etwas anderes zu tun, als Blätter zu zerhacken, fügte Gela bestimmter hinzu: »Bitte gleich.«
Karl Nilpach richtete sich auf. »Ich fliege«, sagte er, und er fiel, was Gela froh stimmte, in seinen alten Tonfall. »Es möge nützen«, fügte er hinzu. Aus seiner Miene waren unschwer Zweifel an dem Erfolg eines solchen Beginnens herauszulesen.
»Willst du den Rest deines Lebens hier Blätter zerstückeln?«
fragte Gela spöttisch.
Während Karl zur Kabine hinaufhangelte, legte Gela mit der Uhr und dem Sonnenstand die Himmelsrichtungen fest.
Dann rief Karl: »Südsüdwest in einer Entfernung von – na ja – so zwanzig Meilen.«
»Na siehst du!« rief Gela zurück. »Das deckt sich etwa mit meiner Rechnung. Also – rüsten wir!«
»Ernsthaft?«
»Ernsthaft!«
»Aber das geht doch nicht«, protestierte Karl schwach, »die Maschine…«
»Ich denke, ›nicht gehen‹ gibt es nicht?« fragte Gela. »Und was willst du mit dem Schrotthaufen?«
Karl Nilpach schmunzelte. »Nun, dann wollen wir packen«, sagte er.
Schon nach kurzer Zeit wurde deutlich, daß die Strapazen des Marsches ihre Kräfte übersteigen würden.
Der Boden war zerklüftet, übersät mit Silikatbrocken, die Zwischenräume ausgefüllt mit klebrigen Massen. Weithin zogen sich Wurzeltrossen, standen einzeln oder in gewaltigen Bündeln die mächtigen Halme. Oftmals sichteten sie Ants, Spiders und andere noch unbekannte, ungeheuer große Tiere.
Auch kleinere Lebewesen trafen sie, so groß wie sie selbst oder sogar noch kleiner, sechsbeinig, gliedrig und plump. Sie schienen meist farblos, beinahe durchsichtig. »Ich glaube, Mites sind das«, bemerkte Karl. »Die gab es bei uns früher auch einmal.«
Allerdings nahmen nur wenige der Tiere, die sie trafen, eine drohende Haltung ein. Die meisten saßen in Höhlen oder an den Stämmen, bewegten sich nicht oder nur träge und gingen der Nahrungsaufnahme nach.
Gela fühlte, daß sie auf die Dauer dem kräftezehrenden Marsch nicht gewachsen sein würde. Die Packen, die sie auf den Rücken trugen und die im wesentlichen Nahrungsmittel, Kleidung und einige wenige Geräte wie Kocher, Fotoapparat, Seile und anderes enthielten, drückten. Das Gewehr wurde lästig.
Gela wollte sich jedoch nicht die Blöße geben, vor den festgelegten Pausen den Wunsch nach einer Rast auszusprechen.
Karl Nilpach gewahrte bald, wie sich Gela quälte. Die Zeitspannen zwischen den Unterbrechungen, die sie sich gönnten, wurden immer kürzer. Karl begann unter Vortäuschung eigener Erschöpfung öfter eine Rast vorzuschlagen. Gelas anfänglicher, allerdings schwacher Protest ging über
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