Expedition Mikro
ein See werden!« Er kroch unter die Plane, zerrte etwas hervor und setzte hinzu: »Hier, nehmt das Seil!« Er warf es Carol zu, die es, seinem Beispiel folgend, fahrig um die Taille schlang. Ennil nahm hastig das andere Ende und band sich fest.
Wie notwendig diese Maßnahme war, zeigte sich, als sie, vom Aufstieg noch außer Atem, am Rand der Vertiefung angekommen waren. Chris, der als erster das Plateau betrat, wurde umgerissen. Nur mit äußerster Anstrengung konnten sie sich dann aufrecht halten.
Chris erkannte, daß seine Befürchtung, die wandernden Blöcke könnten eine unüberwindliche Gefahr werden, nicht zutraf.
Es waren keine solchen Blöcke mehr da. Offenbar hatte sie der Orkan hinweggeblasen.
Sie stemmten sich gegen den Sturm, bemüht, die vorhandenen Stufen so auszunutzen, daß sie ihnen Windschutz boten.
Chris’ Gedanken nahmen mehrmals den Weg zum Hubschrauber, zu Gela, aber es blieben zunächst oberflächliche Gedanken, da er immer wieder aktiv in das Geschehen um sich herum eingreifen mußte.
Auch jetzt kam ihm Gela in den Sinn, eine Andeutung der Angst um sie, als er versuchte, der Route ihres gemeinsamen Ausfluges vom Vortag zu folgen.
Chris erinnerte sich, am Stubbenrand im Vorübergehen größere Löcher oder Höhlen, von Riesentieren gebohrt, gesehen zu haben, dort, an der Grenze zwischen der inneren hellen Stubbensubstanz und der Rinde.
Als die ersten Wasserballen platzten, befanden sie sich in der Nähe der Höhlen. Nach wenigen, allerdings sehr mühevollen Schritten erreichten sie eine Stelle, an der ein Teil der Rinde abgesplittert und ein Abgrund mit bizarren Graten und Wänden entstanden war. Unmittelbar an der Kante führte eine gewaltige Röhre wie ein Schacht nach unten, die jedoch in etwa zwölf Fuß Tiefe abbog und sich offenbar in einem Stollen unter der Stubbenoberfläche fortsetzte.
»Hier«, keuchte Chris. »Hier hinunter!«
Sie standen, gegen den Wind gestemmt, am Rand des Schachtes. Die Ballen, haushoch, begannen in beängstigender Dichte zu fallen. Chris band sich vom Seil los und sprang hinunter. »Los, kommt!« schrie er nach oben.
Sie sprangen. Carol wurde von einem Luftstrom, der durch einen Spalt in der Schachtwand eindrang, herumgewirbelt. Sie kam rücklings auf der Sohle zu liegen, wollte hoch, da wurde es dunkel. Der Rand des Schachtes verschwand, und von oben senkte sich langsam, elastisch, aber mit erdrückender Wucht eine nach unten ausgewölbte Wasserwand.
Carol lag wie gelähmt, zunächst unfähig, sich zu rühren.
Knapp über ihr blieb das reflektierende Gewölbe stehen. Ihr verzerrtes Spiegelbild, im Dämmerlicht gespenstig, kam kurz zum Stehen.
Da fühlte sich Carol in den Achselhöhlen gepackt und mit einem schmerzhaften Ruck in den Stollen gezerrt. Hier herrschte fast völlige Finsternis. Nur das Rund des Stollenmundloches zeichnete sich grau ab. Über sich sah Carol den hellen Haarschopf von Chris wie ein selbständiges Wesen flattern.
»Das hätte böse ausgehen können«, sagte Ennil in das Schweigen hinein.
Carol nickte, es würgte sie im Hals. Dann fühlte sie, wie die Erstarrung langsam von ihr wich.
Draußen hatte der Wasserballen auf die Schachtsohle aufgesetzt. Der hätte mich glatt erdrückt, dachte Carol, und ein Schauer lief ihr über den Körper.
Chris hatte eine Handlampe, die einzige, die sie mithatten, eingeschaltet und leuchtete zum Eingang. Das Wasser wölbte sich jetzt in den Stollen hinein.
»Weiter zurück«, rief Chris, und er dachte mit Entsetzen, was geschehen würde, wenn das Tier, das den Stollen gebohrt hatte, irgendwo hinter ihnen lauerte.
Plötzlich gab es einen singenden Ton, ein Schlag war zu spüren. Die Spannungshaut des Wasserschildes war geplatzt, und die Flüssigkeit wurde gierig in die Porenkanäle des Stubbens gesogen.
Chris Noloc atmete hörbar auf. »Das Schlimmste dürfte jetzt vorüber sein«, sagte er. »Wenn alles erst einmal benetzt ist, sind wir hier eine ganze Weile sicher. Gefährlich wird es erst wieder, wenn sich die Hohlräume vollgesaugt haben. Aber bei der Masse des Stubbens…« Dann setzte er sich auf einen Vorsprung in der Stollenwand, machte durch eine Geste deutlich, daß Carol und Charles es ihm gleichtun sollten, sagte dann »sparen« und knipste die Lampe aus.
Carol rückte auf Tuchfühlung an Chris heran. Chris spürte, wie sie leicht bebte. Es konnte mit der Kühle, die im Raum herrschte, zusammenhängen, aber auch Angst sein…
Und jetzt, in der tiefen Dämmerung, in der
Weitere Kostenlose Bücher