Expedition Mikro
Leibe rücken wollt. Hätt’s gerne noch erlebt… Zu nahe möchtet ihr ihnen nicht kommen, du siehst ja!« Er klopfte an den Quader, und es klang dumpf.
Chris war zunächst befangen. Ihm kam es roh und unmenschlich vor, zu tun, als sei nichts geschehen, nicht zeigen zu dürfen, wie nah ihm Tocs’ Zustand ging. Es fiel ihm zum erstenmal schwer, sich dem Willen des Kommandanten unterzuordnen. Aber andererseits fühlte Chris, daß es notwendig war und daß nur diese Haltung den willensstarken Tocs handlungsfähig hielt. Tocs tat damit auch das, was er, Chris, zur Christmasfeier am Stützpunkt vernachlässigt hatte. Tocs blieb Beispiel, er sorgte dafür, daß der Unglücksfall nicht die gesamte Expedition in Frage stellte, dachte Chris, und er begann unsicher zu berichten, wobei er sich bemühte, so knapp wie möglich zu formulieren. Er gab Tocs einen ungeschminkten Bericht der Lage und teilte ihm vor allem mit, daß noch keine brauchbare Vorstellung über die Kontaktnahme bestünde.
Dann sagte Tocs: »Ich kann dir kein Rezept geben, würde aber empfehlen, jetzt im Winter überhaupt nichts mehr zu unternehmen. Wir sind zu unbeweglich, noch mehr als sonst.
Arbeitet weiter, auch an der Funkvariante. Studiert sie lieber ein halbes Jahr länger, diese Makros.
Ich habe immer davon geträumt, Kontakt zu anderen vernünftigen Wesen zu finden«, Tocs sprach leise, »mir aber nie die Frage vorgelegt, ob die anderen den Kontakt überhaupt wünschen oder ob er überhaupt möglich ist. Und darin, Chris, liegt ein weiteres Risiko. Wir wissen so gut wie nichts von ihrer Gegenwart.« Tocs lächelte hintergründig und fügte dann ein: »Zur Vergangenheit kommen wir noch.« Dann fuhr er in seinem ursprünglichen Gedankengang fort: »Wir wissen nur, daß das Englische bei ihnen noch eine Rolle spielt. Sie haben Wohnstätten, die an Seilen aufgehängt sind. Deutet das schon auf einen höheren Entwicklungsstand? Bei uns sagen einige, das sei die Zukunft des Bauwesens. Viele Materialien sind auf Zug mehr als auf Druck beanspruchbar, rentabler.« Tocs machte eine unentschiedene Geste.
Dann schaltete er ein Tonbandgerät ein und sagte in einem offiziellen Ton, bei dem sich Chris unwillkürlich straffte:
»Chris Noloc, ich wünsche, daß du mein Nachfolger wirst, aber mit veränderter Verantwortung: Du leitest die Aktion Makro – und hier auf der ›Ozean‹, so empfehle ich dir, setze einen ständigen Vertreter, vielleicht Relpek, ein! Das wichtigste für uns ist der Kontakt, dabei sollte das Risiko minimal gehalten werden, soweit das überhaupt möglich ist. Chris, ich übergebe dir hiermit die Funktion und Verantwortung des Expeditionsleiters!« Tocs schaltete das Tonbandgerät ab. »So«, sagte er, »das war der offizielle Teil!« Dann sah er listig auf, zog die Stirn in Falten und fragte: »Du bist doch einverstanden?«
Obwohl es Chris im Halse kratzte, lächelte er und nickte.
»So, Junge, und nun hör aufmerksam zu. Nein, hol mir erst aus dem Tresor die alte Schwarte!« Er reichte Chris einen Schlüssel, und Chris holte einen mit einem Band umschlungenen Foliant aus dem Panzerschrank.
»Großes Staatsgeheimnis«, sagte Tocs mit lustigwichtigtuerischer Miene. »Wenn du mich jetzt fragst, großer Quatsch, das Getue. Aber ich wurde verpflichtet, und ich müßte es mit dir auch tun. Ich habe müßte gesagt. Mehr reden wir darüber nicht. Also hier drin«, er klopfte auf das Gebundene, »ruht unsere Geschichte. Wir haben nämlich eine. Es sind die Beweise dessen, was ich dir zu sagen habe. Und wenn ich fertig bin, weißt du auch, weshalb wir den Kontakt brauchen, dringend brauchen!«
Tocs blickte einen Augenblick lang schweigend aus dem Fenster. »Es ist lebenswichtig!« setzte er leise und nachdrücklich hinzu. Dann lehnte er sich zurück und schloß wie erschöpft die Augen. Wenig später sagte er: »Augenblick, ich glaube, ich muß erst noch etwas zu mir nehmen.« Er drückte auf einen Klingelknopf, worauf die blonde Referentin durch die Tür schaute. Sie blickte besorgt.
»Ich habe dem Jungen eine Menge zu erzählen, Ines. Möchte nicht vorzeitig schlappmachen und auch nicht gestört werden.
Verabreiche mir gleich noch einen Schluck!«
Sie nickte, schloß die Tür, kam aber gleich darauf mit einer großen Injektionsspritze wieder, entblößte Tocs’ Unterarm und stach die Nadel fachmännisch ein.
»Und ich habe mein Leben lang so gern gegessen«, klagte Tocs scherzhaft, während Ines langsam den Kolben der Spritze
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