Expedition Mikro
auf dem Weg zum Leitungstrakt befand, Jens Relpek. Sie begrüßten sich. Jens Relpek schien niedergeschlagen. Da fragte Chris: »Sag, Jens, was ist los?«
»Du weißt noch nicht…«, stellte Jens Relpek fest. Dann winkte er ab und setzte hinzu: »Tocs. Ein Unfall. Er liegt im Sterben.«
Chris traf diese Nachricht wie ein Schlag.
Tocs! Er hatte ihn auf der langen Überfahrt als erfahrenen, umsichtigen und klugen Expeditionsleiter kennen- und schätzengelernt. Er war kein kalter Administrator, aber auch kein »Zerdemokratisierer«. Trotz Konsequenz, Sachlichkeit und seiner Karriere war er ein Mensch geblieben, der mit sich reden ließ. Jener Revolutionär Tocs, der mit dabei war, als es noch wenige waren, die für die Rechtlosen kämpften, die Unmenschlichkeitsbarriere durchbrachen und die Unzufriedenen organisierten.
Chris gestand sich ein, daß es Tocs war, der ihm Sicherheit gegeben hatte, als er damals für Ennil einsprang. Mit Tocs im Rücken kann nichts passieren, das war insgeheim seine Losung. Und so dachten viele.
Chris fühlte sich im Augenblick außerstande, sich bei der Leitung anzumelden. Er setzte sich in einen Sessel im geräumigen Foyer und bat Jens Relpek, bei ihm Platz zu nehmen.
Nach einer Pause der Sammlung fragte er: »Wie ist es geschehen?«
»Es ist nicht genau zu rekonstruieren. Es war eine Inspektionsfahrt mit dem Jeep, eine Routinefahrt. Wir haben zum Wasser zu diesen unterirdischen Kanal gebaut, um notfalls mit der ›Ozean‹ auch im Winter die See erreichen zu können…«
Chris nickte, er wußte das.
»Tocs wollte die Arbeiten an der Schleuse besichtigen. Sie waren zu viert. Mit Tocs sind es zwei Überlebende. Sie sagen aus, daß das Gebirge über ihnen, der Kanal und die Schleuse gebirgsschlagähnlich zusammenbrachen. Sie wurden verschüttet. Der Fahrer kam mit einigen Knochenbrüchen davon. Tocs’ beide Begleiter, Rellim und Drof, sind offenbar erstickt. Ihm selbst hat es den Unterkörper zerdrückt. Es ist eine Frage von Stunden…« Relpek machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Die Untersuchung über Tage hat zunächst einen ausgedehnten, länglichen und scharfkantigen Eindruck gezeigt. Aufnahmen vom Hubschrauber aus haben ergeben, daß dieser Einbruch zu einer Reihe ähnlicher zählt, die am Meeresstrand entlangführten. Die Fußspur eines Makro höchstwahrscheinlich. Man wird dir die Aufnahmen noch vorlegen.«
»Habt ihr ihn nicht kommen sehen?«
»Nein, die ›Ozean‹ liegt in diesem dämlichen Talkessel. Wir verlegen jetzt den Standort in eine Höhle am Steilhang.«
»Was werden wir mit diesen, diesen Ungeheuern nur noch alles erleben«, rief Chris erregt. »Wir haben immer noch keine brauchbare Konzeption, wir wir uns mit ihnen verständigen können. Und sie ahnen von unserer Existenz nichts – du siehst ja…« Chris schüttelte den Kopf. »Es darf uns nicht zurückwerfen! Wir geben nicht auf, Jens!«
»Verlier keine Zeit«, mahnte Relpek nach einer Weile. »Er hat veranlaßt, daß du kommst. Er ist bei Bewußtsein und arbeitet wie ein Stier. Die Schmerzen hat Mieh ihm genommen. Er wird künstlich ernährt, mehr kann Mieh nicht tun. Tocs weiß, wie es um ihn steht!« Chris Noloc mußte sich einen Ruck geben, bevor er sich bei Tocs anmelden ließ. Nichts deutete im Vorzimmer auf einen Todkranken hin, keine Krankenschwester, kein Arzneigeruch. Nur die Referentin, sonst einem Scherz, einem außerdienstlichen kleinen Plausch nicht abgeneigt, blickte ernst.
»Soll reinkommen!« scholl es nach der Anmeldung aus der offenen Tür zu Tocs Arbeitszimmer.
Chris zuckte ein wenig zusammen. Es waren Tocs Stimme und Tonfall, wie er sie kannte. Ein wenig rauher vielleicht.
Und nur noch Stunden?
Tocs saß in einem sesselähnlichen Gebilde. Sein Oberkörper steckte in einem Pullover, wie er sie zu tragen pflegte, seinen Unterkörper bedeckte ein länglicher Quader, der mit einem Tuch zugedeckt war. Und Tocs sah aus wie Chris ihn in Erinnerung hatte, vielleicht ein wenig wächsern. Um ihn herum standen zwei Diktaphone und mehrere Telefonapparate.
»Komm her, Junge, setz dich«, sagte er. »Hast ja schon gehört, daß es mich erwischt hat, obwohl ich es zunächst untersagt hatte, es allen mitzuteilen. Es lassen schon zu viele die Köpfe hängen. Aber lassen wir das. Hab noch nie so wie jetzt empfunden, daß die Zeit tatsächlich etwas Kostbares ist!« Tocs lächelte. »So, gib mir einen knappen Bericht, wie es euch geht und wie ihr diesen verdammten Latschern, den riesigen, zu
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