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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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müssen wir sie auf der Oberfläche ziehen, die sich ständig von einem Kontinent zum anderen bewegt? Waren wir in so vielen Jahrtausenden die ersten, denen bei der Begegnung mit der Atlantikströmung südlich von Gibraltar der Steuermechanismus eines primitiven Fahrzeugs zerbrach?
    Der Ägypter Georges, der früher nur für Judo und Froschmanntechnik Augen und Ohren hatte, interessierte sich plötzlich intensiv für die Märchenwelt des Altertums. Gab es denn keine schriftlichen Aufzeichnungen, die bewiesen, daß die alten Ägypter über Gibraltar hinausgekommen waren?
    Nein, es gab sie nicht. Aber die Phönizier, die seit Jahrtausenden am Mittelländischen Meer ihre nächsten Nachbarn waren, hatten über Gibraltar hinaus, entlang der ganzen offenen marokkanischen Küste weit an Safî und Kap Juby vorbei, regelmäßigen Verkehr aufrechterhalten. Topfscherben mit phönizischen Inschriften und andere Reste von langwährender phönizischer Kolonialtätigkeit einschließlich der Purpurproduktion tauchen ständig an der Nordwestküste Afrikas auf, weiter als wir ihr gefolgt waren. Vor wenigen Jahren noch wußte die Wissenschaft nicht, daß diese ersten bekannten Seefahrer aus der hintersten Ecke des Mittelländischen Meeres auf der flachen Insel vor es Saouira, südlich von Safî, eine wichtige Handelskolonie besaßen. Nun werden dort und ganz unten an der Küste von Rio de Oro, südlich von Marokko, phönizische Überreste ausgegraben. Archäologen haben entdeckt, daß die Phönizier unter den Guanchen auf den Kanarischen Inseln festen Fuß gefaßt hatten und diese Inseln im Ozean als Zwischenstation benutzten, um sicher an Kap Juby und Kap Bojador vorbeizukommen. Sie besaßen vorgeschobene Handelsposten, zu denen man an diesen lebensgefährlichen Landspitzen vorbeifahren mußte, wo wir mit Müh und Not mit unserem Schilfboot klargekommen waren.
    An einem öden Strand direkt südlich vor unserem Auslaufplatz führt eine winkelförmige Mole aus Zehntausenden megalithischer Steinblöcke zu den Riffen hinaus und bildet einen prächtigen Hafen. Unfaßbare Mengen gigantischer Bruchsteine sind von erfahrenen Hafenarchitekten ins Meer geschleppt und zu einem haltbaren Bollwerk gegen die Wellen des Atlantiks errichtet worden, das Jahrtausende nicht wegspülen konnten. Wer brauchte einen so großen Hafen in dieser öden Sandbucht, ehe die Araber und Portugiesen an der afrikanischen Atlantikküste entlangsegelten?
    Aus dem schriftlichen Bericht des antiken Historikers Herodot, nach seinem Besuch in Ägypten verfaßt, geht hervor, daß in der Zeit des Pharao Necho (um 600 v. Chr.) die Ägypter eine phönizische Flotte mit dem Auftrag losschickten, Afrika zu umsegeln. Es ist wahrscheinlich, daß auch Ägypter, von denen ja doch die Initiative ausging, daran teilnahmen, obwohl ausdrücklich betont wird, daß Schiffe und Seeleute aus Phönizien waren. Sie segelten durch das Rote Meer und kamen drei Jahre später durch die Enge von Gibraltar wieder zurück. Zweimal unterbrachen sie ihre Fahrt und gingen an Land, um zu säen und zu ernten. Sie konnten berichten, daß sich die Sonne während ihrer Umsegelung Afrikas nach Norden verschoben hatte. Mehr als ein Jahrhundert später leitete Hanno eine der größten phönizischen Expeditionen, von denen wir wissen. Sie hatte den Auftrag, Handelskolonien außerhalb Gibraltars zu gründen. Sechzig Galeeren, jede mit Segeln und fünfzig Rudern ausgerüstet, nahmen insgesamt dreißigtausend künftige Kolonisten aller Berufsgruppen auf. So wagten sie die Fahrt in den offenen Atlantik. Die mächtige Flotte zog an der uralten Kolonie vorbei, die sich »Ewige Stadt der Sonne« nannte, und ankerte sechsmal entlang der marokkanischen Küste, um Siedler an Land zu setzen. Sie fuhr länger als wir an der gefährlichen Küste entlang, rundete Kap Juby und passierte die Kap-Verde-Inseln Senegals, um schließlich zu den Dschungelflüssen Tropisch-Westafrikas vorzustoßen.
    Es ist bekannt, daß die Phönizier auch über Land Handelsverkehr mit den Urwaldstämmen Westafrikas aufrechterhielten. Sie wußten sich der numidischen Karawanen zu bedienen, die den Kontinent durchquerten, um Elfenbein und Gold zu holen. Aber auch Löwen und andere Wildtiere brachten sie mit, die man für die Zirkusspiele brauchte. In allen wichtigen Städten zwischen Syrien, Ägypten und den Mittelmeerinseln, ja bis zur atlantischen Küste dienten sie zur Unterhaltung der Zuschauer. So war viele Jahrhunderte vor Christus ganz

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